Punkt 6.00 Uhr morgens fahren die Köpfe hoch. Ein sanfter Sprühnebel legt sich über die Staudenrabatten. Um 8.00 Uhr ziehen sie sich dann wieder zurück. Prima Klima.

Bundesgartenschau 2023 im staubtrockenen Mannheim. Die große Show. It must go on. Nachhaltigkeit steht diesmal ganz oben, Klimawandel und Umwelt ebenso. Man pflanzt im Bewusstsein diverser Krisen. Überall Schilder, Aufsteller, Infos dazu. Die Gartenbranche arbeitet massiv gegen Artensterben und Biodiversitätskrise. Mit Worten.

Zugegeben, es ist mutig, viele Hektar des Bugageländes vertrocknen zu lassen und den Besuchern so den Klimawandel zu verdeutlichen. Doch ehrlich betrachtet, man hätte diese Flächen angesichts der Trockenheit der letzten Monate niemals beregnen können.

Die Schaubeete aber schon. Ungewollt zeigt die grüne Branche aber auch ihre Schwächen. Die überall ausgelegten Rollrasenmatten wurden Ende Juni stellenweise bereits ersetzt. Halten sich halt nicht (mehr). Und wo das mangels Kapazität nicht geschehen konnte, wandelt der werte Besucher auf Staubmatten. Liegestühle stehen einladend im Braunen herum. Irgendwie ist die Klimakrise inmitten der Gartenschauen angekommen. Prima Klima.

Wie man dem Klimawandel wirklich entgegen könnte, sieht man fast nirgends. Dafür haben die Gartenschaumacher keine Lösung. Immerhin: Eine gepflanzte Installation widmet sich dem Thema Klima. Ein buntes Exotenbeet in bedeutungsschwangeren Farben symbolisiert die Elemente der Klimakrise. Gelb für die unbarmherzige Sonne, einzelne runde Lauchköpfe für immer spärlicher fallende Regentropfen…. Silber für gleißende Hitze???? Bloß: Solche pseudokünstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema kratzt nicht einmal an der Oberfläche der Problematik. Mehr noch: Es verschärft die Klimakrise weiter. Auch dieses Schaubeet braucht soviel Wasser wie alle anderen ständig bewässerten Schaubeete.

Was das Artenstreben betrifft, sind die gezeigten Lösungen genauso  glaubwürdig. Überall hängen Blumenkästen herum mit regelmäßig ausgetauschten Zierpflanzen. Darunter dann Schilder mit den Schlagworten  umweltschonend, trockenheitsverträglich, nachhaltig. Warum muss man dann soviel gießen und soviel austauschen?  Wagt man den Finger in eine diese Balkonkästen zu stecken, kommt er tropfnass wieder heraus. Der Besucher wird betrogen und an der Nase herumgeführt. The show must go on.

Das Gleiche geschieht beim Hinweis, dass dies doch angeblich insektenfreundliche Pflanzen seien. Mit Hinweis auf Forschungsergebnisse der LVG, der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Baden-Württemberg. Da hätte man mit wissenschaftlichen Methoden herausgefunden, dass bestimmte Sorten von Zierstauden angeblich wertvoll für Blütenbesucher seien. Stichwort „Bestäuberinsekten“. Der Bundesverband der Staudenzüchter (BDS) macht groß Werbung mit der Studie. Passt gut ins Konzept, die altbekannten Zierstauden tragen nun neue Schildchen „Insektenfreundlich“. Komischerweise waren auf diesen exotischen, angeblich „insektenfreundlichen Pflanzen“ nur recht wenig Insekten zu sehen. Die Untersuchung wurde so zum Geschenk für den konventionellen Gartenbau. Die Branche kann so weitermachen wie gehabt. Alles Prima.

Immerhin! Eine Antwort auf viele Fragen der Zukunft bot der Schaugarten des NaturGarten e.V., der vom Fachbetrieb für naturnahe Grünplanung Birgit Helbig geplant und mit vielen NaturGarten-Profis aus dem gleichnamigen Ausbildungsgang der Naturgartenakademie gebaut wurde. Betreut wird er von der Regionalgruppe Mannheim des NaturGarten e.V.. Dort wuchs und blühte es ganz ohne ständige künstliche Bewässerung. Alles voll mit echten heimischen Wildpflanzen, die echten heimischen Tieren Zuflucht und Lebensraum bieten. Was man sehen konnte und bei Sonne am Brummen der Insekten sogar hören. Es gäbe einige Rezepte für eine Welt mit sehr viel weniger Wasserverschwendung. Auf der Bundesgartenschau Mannheim  waren sie schwer zu finden.

Reinhard Witt