Klimawandel-Klimakrise-Klimakatastrophe-Der Naturgarten als Teil der Lösung in einer sich ändernden Welt

Zum Natur und Garten – Magazin 2/2020 „Klimawandel-Klimakrise-Klimakatastrophe-
Der Naturgarten als Teil der Lösung in einer sich ändernden Welt“ gab es einige
Zuschriften, unter anderem aus der Hochschule Eberswalde, die sich insbesondere
kritisch mit der Aussage auseinandersetzten, dass die Klimakrise nicht durch das
Pflanzen von Bäumen bekämpft werden kann.
So wurde angeführt:

  1. Die zitierte Studie von Bethniany et. al. 2010 ist eine einzelne Arbeit, die zu der
    offensichtlich absurden Folgerung führt, dass das Abholzen der Wälder in Deutschland
    zu einer Abkühlung des Klimas führt.
  2. Der erwärmende Effekt das reduzierten Albedos muss in Relation zur Speicherung
    von Kohlenstoff in der Wachstumsphase der Wälder gesetzt werden, wodurch sich der
    Breitengrad, wo Wälder einen erwärmenden Effekt auf das Klima haben, nach Norden
    verschiebt (auf den 60ten Breitengrad in Europa und den 55ten Breitengrad in
    Nordamerika)
  3. Die Erwärmung des Klimas durch den reduzierten Albedo wird durch die
    abkühlenden Wirkung durch die Verdunstung konterkariert.
  4. Die langfristige Speicherung von CO2 in Wäldern kann nicht mit einer kurzfristigen
    Umsetzung von C bei „Annuellen“ gegenüber verglichen werden. (Damit sind dann wohl
    Wiesen und Weiden gemeint)
  5. Es wurde der Aussage widersprochen, dass der Boden der vorrangig wirksame C-
    Speicher ist.
  6. Die Wälder in Deutschland haben in den Jahren 2012 bis 2017 62 Millionen t CO2-
    Äqivalente aufgenommen.
    Wir fanden das interessant und hätten gerne eine weitere Diskussion geführt, die wir
    gerne veröffentlicht hätten. Leider waren die Absender der Nachrichten nicht dazu
    bereit. Trotzdem möchten wir hier unsere Antwort allen Mitgliedern des NaturGarten
    e.V. zur Verfügung stellen:
    Insgesamt konnten uns die angeführten Belege nicht überzeugen. Allen Arbeiten ist eine
    Denkfigur gemein, die Wälder nicht in ihrem Reifestadium betrachtet, sondern sich auf
    den Holzzuwachs nach einer Aufforstung konzentriert. Dadurch kommt auch die Arbeit
    von Mykleby et al, die 2017 erschien und die zwar viele Arbeiten zum Thema zitiert,
    aber nicht die Arbeit von Bethniany, zu dem Schluss, dass der Effekt von Wäldern auf
    den Albedo durch die Kohlenstoffbindung in der Wachstumsphase nach einer
    Aufforstung südlich des 55ten Breitengrades ausgeglichen werden kann. Es wird eine
    dauerhafte Bewirtschaftung mit Nadelbäumen, die regelmäßig geerntet werden,
    empfohlen. Wir können dem nicht folgen, weil der in den geernteten Nadelbäumen
    gespeicherte Kohlenstoff ja über kurz oder lang wieder freigesetzt wird. Außerdem
    wird, so weit ich sehe, die Auswirkung von forstlichen Arbeiten auf den im Boden
    gebundenen Kohlenstoff nicht betrachtet.
    Das Naturgarten-Fachmagazin bezieht seine Informationen hauptsächlich aus dem Buch
    „Die Zukunft des Klimas“, herausgegeben von Jochem Marotzke und, insbesondere dem
    Text von Martin Claußen zur Rolle der Vegetation.
    In dem Heft wird die Speicherung von CO2 in Wäldern nicht Annuellen-Bestände
    gegenübergestellt werden sollten sondern der C-Speicherung der Grasländer und zwar
    insbesondere der beweideten Grasländer. Die Beweidung bewirkt ein dauerhaftes
    Nachwachsen der (abgeweideten) krautigen Pflanzen während der Vegetationsperiode,
    wobei ein großer Teil diese Biomasse über den Tritt der Tiere und die Kot abbauenden
    Organismen ziemlich schnell dem Boden-Kohlenstoffspeicher zugeführt wird. Dies ist
    wohl ein Hauptaspekt, warum der Bodenkohlenstoffvorrat von Grünländern höher
    liegen kann als der von Wäldern (Martin et. al, 2011, Biogeosciences 8(5), 1053-1065)
    und auch bei einer Umstellung von Wald auf extensive (Wald-)Weide nicht sinken muss
    (Perez-Suares et al. 2018, BioOne, 38(2), 125-134). Gleichzeitig zeichnen sich diese
    extensiv genutzten Grasländer in Europa durch eine besonders hohe Biodiversität aus.
    Dabei ist die Biodiversität der offenen und halboffenen Lebensräume in wesentlich
    größerem Maße bedroht als die der Wälder. Wenn Aufforstung als ein Weg aus der
    Klimakrise verfolgt wird, besteht die Gefahr, dass die letzten dieser wertvollen
    Lebensräume nun der Sukzession überlassen oder aufgeforstet werden, weil es
    vermeintlich auf Grund der Klimakrise geboten sei. Meines Erachtens besteht die Gefahr,
    dass Aufforstung eher von der eigentlichen Herausforderung ablenkt, nämlich der
    Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise.
    Der genannten Zahl von 62 Millionen t CO2-Äquivalenten, die in Wäldern gebunden
    wurden, kann man die
    Einsparung an CO2-Emmission, die bei einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen
    auf 100 km/h zu erreichen wäre, gegenüberstellen. Das sind nach Angaben des
    Umweltbundesamtes 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr, in den genannten
    5 (6?) Jahren wären das 27 (32,4) Mio. t gewesen, die Einsparung durch eine fast
    kostenneutrale Verhaltensänderung liegt also im Bereich (gemeint als
    Zehnerpotenzbereich) der CO2 Aufnahme der Wälder Deutschlands, die mit sehr viel
    öffentlichem Geld unterstützt wird. Dabei ist diese Speicherung im Gegensatz zu CO2,
    das nicht emittiert wird, nicht irreversibel, sondern kann durch Trockenheit, Insekten-
    Kalamitäten, Waldbrände oder Stürme wieder freigesetzt werden. Außerdem fällt der
    „Gewinn“ einer Verhaltensänderung in jedem Jahr an, während die CO2-Aufnahme von
    Wäldern nicht unendliche weitergeht, sondern „endlich“ ist, da die Bäume „nicht in den
    Himmel wachsen können“. Eine kontinuierliche Speicherung von Kohlenstoff ist in der
    Reifephase der Wälder dann doch nur noch im Boden möglich. Damit ergibt sich, dass
    das im Holz gebundene CO2 über kurz oder lang wieder freigesetzt wird. Ein Teil des
    geernteten Holzes ersetzt vielleicht fossile Brennstoffe – aber für welchen Anteil trifft
    das zu? Bevor diese Frage beantwortet ist, kann hier nicht einfach von einem
    Entlastungseffekt ausgegangen werden, zumal das Entstehen erheblicher
    Feinstaubmengen bei der Verbrennung im Haushaltsbereich (oft eher zum Vergnügen
    als zum Heizen) die Gesamtbetrachtung zusätzlich verkompliziert.
    https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/tempolimit-auf-
    autobahnen-mindert-co2-emissionen
    Dass der eigentliche klimaschützende Effekt von Holzproduktion in der vermiedenen
    Emission bei der Produktion von nicht regenerativen Materialien liegt, ist
    nachvollziehbar. Allerdings muss auch untersucht werden, wie die Einflüsse der
    Waldbewirtschaftung Bodenkohlenstoff und Albedo beeinflussen. Auch der gesamte
    energetischen Rucksack des Holzwerkstoffs ist zu berücksichtigen sowie eine mögliche
    Null-Variante (im Sinne der Nichtproduktion des Werkstoffs auf Grund geänderte
    Ansprüche durch die notwendige Transformation – weniger Wohnraum je Person,
    längerlebige Materialien, wenige Transporte etc.).
    https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/klima-und-
    umwelt/holzverwendung-ist-klimaschutz
    In den im Magazin zitieren Arbeiten wird der Abkühlungseffekt durch die Verdunstung
    als lokal, die Wirkung der Albedo-Erniedrigung als global bezeichnet.
    Natürlich ist der oberirdisch neu gebundene Kohlenstoff bei der Aufforstung eines
    vorher nicht bewaldeten Standortes ein Netto-Gewinn. Der weltweit (rein theoretisch
    und einmalig) zu erreichende Gewinn wird unterschiedlich beziffert. Eine sehr
    umstrittene Arbeit von Bastin et. al. (2019) errechnete 205 GtC, die für mich
    nachvollziehbare Kritik von Veldmann et al, Sience 366 (2019)
    geht davon aus, dass dies fünffach überschätzt ist, (41GtC). In der zitierten
    Buchveröffentlichung der Max-Planck-Gesellschaft wird von 100 GtC bis zum Jahr 2100
    ausgegangen, also 5% der bis zu diesem Zeitpunkt zu erwarteten Kohlendioxid-
    Emissionen oder weniger als die Hälfte, der bis zum Jahr 2009 durch den Menschen
    verursachten, zusätzlichen 240 GtC.
    Unser Magazin fordert nicht das Abholzen der Wälder in Mitteleuropa. Die Propagierung
    der Aufforstung als probates Mittel gegen die Klimakrise lenkt aber von der eigentlichen
    Herausforderung, der gesellschaftlichen Transformation ab und setzt die Biodiversität
    weiter unter Druck, zum Beispiel, wenn naturschutzfachlich wertvolle Offen- oder
    Halboffenlandschaften aufgeforstet werden. Wenn für Aufforstungen Moorstandorte
    entwässert werden oder historisch alte Wälder abgeholzt werden, weil ja nur die
    Aufforstung einen „Gewinn“ bringe, ist eine netto-CO2-Freisetzung sogar unvermeidbar.