Verwählt: Rot-Eiche, Baum des Jahres 2025

„Baum des Jahres“ gefährdet die Biodiversität:

NaturGarten e.V. kritisiert die Wahl der Amerikanischen Rot-Eiche zum „Baum des Jahres“:

ein hoher Preis für eine angestrebte Sicherung des Holzertrages.

Bonn, 12.11.2024

Zum zweiten Mal – nach der Robinie im Jahr 2020 – wählt die „Baum des Jahres – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“ eine invasive, also nachgewiesenermaßen biodiversitätsschädigende Art zum Baum des Jahres. Dabei stand in diesem Jahr mit dem Burgen-Ahorn auch eine einheimische, biodiversitäts­fördernde und tatsächlich klimafeste Art zur Wahl. In der meist unhinterfragt veröffentlichten Presseerklärung werden die forstbaulichen Qualitäten des Baumes hervorgehoben und die Invasivität der Art nur am Rande erwähnt. Dabei hat Bundesamt für Naturschutz in einem faktenbasierten Verfahren die Invasivität der Rot-Eiche festgestellt, die zu einem Verlust an Bodenfruchtbarkeit und zu einem weiteren Rückgang der Artenvielfalt führen kann[1].

Bei der Rot-Eiche ist vor allem das schnelle Wachstum für die Forstwirtschaft interessant. Dabei ist die Rot-Eiche nur mit Einschränkungen als Bauholz eignet. Das Holz ist rissgefährdet und wenig widerstandsfähig gegenüber Schädlingen, es muss entweder chemisch oder thermisch behandelt werden[2]. Rot-Eichenholz verspricht vor allem als Möbel- und Parkettholz gute Gewinne. Belege für die von der Wodarz-Stiftung unterstellte Klimafestigkeit gibt es dagegen nicht. So treibt die Rot-Eiche sehr früh aus, ihr fehlt also die Unempfindlichkeit gegenüber Spätfrösten, die Klimabäume brauchen werden. Sie wird daher schlechter bewertet als unsere heimischen Eichen-Arten[3]. Es ist nicht sinnvoll, einheimische Bäume unserer gemäßigten Wälder durch Baumarten der amerikanischen gemäßigten Wälder zu ersetzen. Wie in den so genannten „Klimahüllen“ visualisiert, kann auch die Rot-Eiche nur einen Teil des zukünftig zu erwartenden Klimas abdecken.[4] Als Zukunftsbäume besser geeignet sind die Arten der submediterranen Trockenwälder, wie Schneeballblättriger Ahorn, Burgen-Ahorn oder Flaum-Eiche[5]. Lichte Laubmischwälder, insbesondere wenn sie zum Beispiel durch Beweidung weite Baumabstände und einen von krautigen Pflanzen dominierten Bodenbewuchs haben, sind auch eine bessere und vor allem biodiversitätsfördernde Prävention gegenüber Waldbränden als die propagierten Streifen von Rot-Eichen mit ihrer undurchdringlichen Blattstreu.[6]

Im Fall der Rot-Eiche stehen dem kurzfristigen Gewinn der Forstwirte ökologische und wirtschaftliche Schäden, zum Beispiel durch die Kosten für die Entfernung der invasiven Pflanzen in wertvollen Lebensräumen und durch die Verminderung der Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffspeicherung im Boden gegenüber. „Auch wenn es nachvollziehbar ist, wenn aus wirtschaftlichen Gründen schnell wachsende Baumarten angebaut werden, muss der Forst doch auch seine Verantwortung für den Wald als Lebensraum übernehmen und ggf. bereit sein, nach dem Verursacherprinzip die durch sein wirtschaftlich nachvollziehbares Handeln entstandenen Kosten übernehmen“, sagt Karsten Mody, Vorstand des bundesweit agierenden NaturGarten e.V.

Noch besser wäre es allerdings, wenn auch in der Forstwirtschaft und hier bei der Wahl des „Baumes des Jahres“, die Förderung der biologischen Vielfalt genauso wichtig genommen würde wie die wirtschaftliche Tragfähigkeit, denn nur das ist wirklich nachhaltig und zukunftsfähig.

Hintergrundinformationen

Invasivität

Neobiota, also Arten, die nicht einheimisch sind, sich aber außerhalb der menschlichen Obhut eigenständig vermehren, werden von den Fachleuten des Naturschutzes beobachtet und in einem festgelegten Verfahren vom Bundesamt für Naturschutz bewertet. Wenn nachgewiesen ist, dass eine Art die biologische Vielfalt schädigt, dann wird sie als „invasiv“ bezeichnet. Arten, bei denen das nur wahrscheinlich oder erst in Zukunft zu erwarten ist, werden als „potenziell invasiv“ eingestuft. Für jede invasive Art werden Maßnahmen vorgeschlagen, diese sind jedoch nicht bindend.

Latenzzeit

Invasivität ist keine Eigenschaft, die eine Art mitbringt. Sie entsteht oft erst nach einer längeren Zeit, in der die Art künstlich angebaut wird. Die Invasivität tritt besonders bei Arten auf, die schon länger und auf großen Flächen angebaut werden, die schwere Früchte haben und wärmeliebend sind, alles Eigenschaften, über die die Rot-Eiche verfügt. Schäden können nur dann verhindert werden, wenn dann gehandelt wird, wenn die invasive Art sich noch nicht in einem Maße ausgebreitet hat, durch das eine Bekämpfung die Leistungsfähigkeit der Behörden übersteigt, wie es schon bei den asiatischen Knöterich (Fallopia)-Arten oder dem Drüsigen Springkraut der Fall ist. Bei der Rot-Eiche wäre noch Zeit, da sie sich noch nicht flächig ausbreitet. Dass die Rot-Eiche sich nicht ausbreiten könne, weil ihre Eicheln nicht von Tieren verbreitet würden, wird hin und wieder behauptet, entspricht aber nicht den Tatsachen. Die Eicheln der Rot-Eiche werden sowohl von Eichelhähern als auch von Mäusen und Eichhörnchen verbreitet[7].

Kosten

Invasive Arten sind einer der Hauptgründe für den Verlust der biologischen Vielfalt und führen zu enormen Kosten, zum Beispiel, wenn sie in empfindlichen Naturgebieten bekämpft werden müssen. Für die USA wurde für das Jahr 2000 von 140 Milliarden Dollar pro Jahr ausgegangen[8].

Schäden

In Lebensräumen, in denen sich invasive Arten ausbreiten, sinken die Ökosystemdienstleistungen wie Resilienz, Grundwasserbildung oder Kohlenstoffbindung, beispielsweise weil das Bodenleben das tote Gewebe wie Holz und Blätter nicht verarbeiten kann und eine Schicht aus nicht abgebautem Material entsteht, die eine physische Barriere auch für die Keimung von krautigen Pflanzen darstellt. So wurde unter Rot-Eichen eine geringere Wasserhaltefähigkeit und ein geringerer Bodenkohlenstoffgehalt beobachtet, sowie eine Abnahme der Artenzahl und der Bodenbedeckung bei der Bodenvegetation.[9]

Rot-Eichen haben einen hohen Tanningehalt in Blättern und Eicheln und führen zur Anreicherung von Phenolen in Böden und zur Verarmung an Nährstoffen.[10]

Schädlingsresistenz und Pflanzengesundheit

Durch die fehlende Koevolution von nicht einheimischen Arten und heimischer Tierwelt ist der ökologische Wert geringer, insbesondere gibt es weniger Arten die sich vom Gewebe der Pflanzen ernähren („herbivore Arten“).[11] Dieser vermeintliche Vorteil der „Schädlingsresistenz“ ist dann aber einer der Gründe warum Invasivität entstehen kann. Invasive nicht einheimische Arten werden von wesentlich weniger herbivoren Tierarten genutzt als nicht invasive Arten. Dieser Effekt wird „parasite release“ genannt und konnte auch für die Rot-Eiche nachgewiesen werden[12].

Wie kann eine Pflanze die Biologische Vielfalt schädigen?

Schäden entstehen einmal dadurch, dass dort, wo eine invasive Art wächst, keine einheimische Art wachsen kann und deshalb die vielen Tiere, die von einheimischen Arten abhängig sind, auch verschwinden. Manchmal sind die Schädigungen aber auch direkter. So fördert die Rot-Eiche den Späten Kastanienwickler (Cydia splendana), dessen Larven sich auch in Eicheln der Stieleiche entwickeln. Dies hat zur Folge, dass in der Nähe von Rot-Eichenbeständen immer hohe Populationen dieses Schmetterlings auftreten und die Stieleichen durch die Mastjahre, d.h. in Jahren mit sehr hoher Eichelproduktion, dem Schädlingsbefall nicht mehr ausreichend ausweichen können, um erfolgreich zu keimen.[13]


[1] Stanek, Małgorzata & Piechnik, Łukasz & Stefanowicz, Anna. (2020). Invasive red oak (Quercus rubra L.) modifies soil physicochemical properties and forest understory vegetation. Forest Ecology and Management. 472. 118253. 10.1016/j.foreco.2020.118253.

[2] https://www.baumportal.de/amerikanische-eiche

[3] Andreas Roloff (2021): Aktualisierte KlimaArtenMatrix 2021 (KLAM 2.0) in Andreas Roloff (Hrsg. 2021): Trockenstress bei Bäumen – Ursachen, Strategien, Praxis, Quelle und Meyer

[4] (https://www.waldbesitzer-portal.bayern.de/baumexperte/roteiche/index.html)

[5] (Klimahülle Flaum-Eiche: https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/boden-klima/dateien/afz-klimahuellen-fuer-27-baumarten.pdf).

[6] https://www.mpg.de/22235078/global-fire-monitoring-center

[7] Myczko, Lukasz & Dylewski, Lukasz & Zduniak, Piotr & Sparks, Tim & Tryjanowski, Piotr. (2014). Predation and dispersal of acorns by European Jay (Garrulus glandarius) differs between a native (Pedunculate Oak Quercus robur) and an introduced oak species (Northern Red Oak Quercus rubra) in Europe. Forest Ecology and Management. 331. 35–39. 10.1016/j.foreco.2014.07.027.

  Merceron, Nastasia & Langhe, Aurélie & Dubois, Heloise & Garin, Olivier & Gerarts, Fanny & Jacquemin, Floriane & Balligand, Bruno & Otjacques, Maurine & Sabbe, Thibaut & Servranckx, Maud & Wautelet, Sarah & Kremer, Antoine & Porté, Annabel & Monty, Arnaud. (2017). Removal of acorns of the alien oak Quercus rubra on the ground by scatter-hoarding animals in Belgian forests. Biotechnology, Agronomy and Society and Environment. 21. 127-130. 10.25518/1780-4507.13613.

[8] UFZ – Newsletter 8/2007

[9] Stanek a.a.O.

[10] Stanek, Małgorzata & Kapusta, Paweł & Stefanowicz, Anna. (2023). Effect of simulated litterfall and sapling growth of invasive Quercus rubra and native Q. robur on soil in a pot experiment. Forest Ecology and Management. 551. 121505. 10.1016/j.foreco.2023.121505.

[11] Ulrike Aufderheide, Christoph Peters, Karsten Mody, Heinke Marxen-Drewes (2024): Zukunfts- oder Klimabäume: Wie gut sind die Arten zur Förderung der Biodiversität geeignet?, Naturschutz und Landschaftsplanung 56(08), 14-23

[12] Bogdziewicz, M., Bonal, R., Espelta, J., Kalemba, E., Steele, M., Zwolak, R. (2018): Invasive oaks escape pre-dispersal insect seed predation and trap enemies in their seeds. Integrative Zoology. 13. 10.1111/1749-4877.12285.

[13] Łukasz Myczko . Łukasz Dylewski . Artur Chrzanowski . Tim H. Sparks (2017)

    Acorns of invasive Northern Red Oak (Quercus rubra) in Europe are larval hosts for moths and beetles, Biological Invasions 19, 2419-2415

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mehr zum Thema:

PRESSEMITTEILUNG DER BUND-KREISGRUPPE RHEIN-SIEG

Wir freuen uns, dass der Aufsatz zu den Klimabäumen, der vom NaturGarten e.V. erarbeitet wurde, anlässlich der ausgesprochen unglücklichen Wahl des Baumes 2025 Beachtung findet. Die Kreisgruppe Rhein-Sieg versandte diese Pressemitteilung, die wir Wort für Wort unterstreichen können:

Rot-Eiche, Baum des Jahres 2025 – ein Fehler

Mit der aktuell bekannt gemachten Wahl der nordamerikanischen Rot-Eiche (Quercus rubra) zum Baum des Jahres 2025 hat sich die Dr. Silvius Wodarz-Stiftung tatsächlich „verwählt“. Mit der Rot-Eiche wird eine Baumart aufs Treppchen gehoben, die massive ökologische Konflikte auslöst und keineswegs als Baumart für einen klimastabileren Forst in Deutschland empfohlen werden kann. Der Anbau ist mit den Zielen des § 40 BNatSchG nicht vereinbar. Sie ist auch nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz invasiv*, dringt in Naturschutzgebiete vor – wissen wir aus eigener Anschauung aus dem Rhein-Sieg-Kreis – und muss dort aufwendig bekämpft werden. Sie beeinträchtigt die heimische Waldbodenvegetation massiv und steht in Konkurrenz zu den heimischen Eichenarten. Der Anbau der Rot-Eiche kann daher keinesfalls unterstützt und keineswegs empfohlen werden, denn es gilt nicht nur einseitig eine Holzproduktion zu sichern, sondern auch die Biologische Vielfalt im Wald und im Forst.

Erst im August 2024 veröffentlichten Aufderheide et al. in der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ dazu einen aufschlussreichen Artikel.** Während die heimische Stiel-Eiche (Quercus robur) 570 Arten der Vergleichsgruppen an Tieren und Pilzen auf sich vereinen konnte, kommt die Rot-Eiche gerade einmal auf 84, das ist nur ein Bruchteil der Leistungsfähigkeit der heimischen Eichenarten.

Der Einsatz der Rot-Eiche steht damit im direkten Widerspruch zum Erhalt und zur Wiederherstellung lebendiger, stabiler Waldgesellschaften.

Auf der Homepage des BfN heißt es zu invasiven und exotischen Arten: „Die absichtliche Einfuhr und das unbeabsichtigte Einschleppen gebietsfremder Arten stellen weltweit eine wichtige Gefährdungsursache für die biologische Vielfalt dar. So fordern u.a. das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, die nationale Biodiversitätsstrategie und das Bundesnaturschutzgesetz, negative Auswirkungen auf die Biodiversität durch gebietsfremde Arten zu verhindern (vgl. auch Recht und Neobiota und Naturschutz).“ https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung.html

*: https://neobiota.bfn.de/invasivitaet…/gefaesspflanzen.html

**: „Zukunfts- oder Klimabäume“, Aufderheide, Ulrike; Peters, Christian; Mody, Karsten; Marxen-Drews, Heinke. in: Naturschutz und Landschaftsplanung, Jhg. 56, Heft 8 / 2024, S. 14 bis 23.

auch informativ: https://nuernberg-stadt.bund-naturschutz.de/…/roteiche