Beitrag zur Publikation Lerch D., Blüthgen N., Mody K. (2024): „Home sweet home: Evaluation of native versus exotic plants as resources for insects in urban green spaces“ Ecological Solutions and Evidence, Volume 5, Issue 3; https://doi.org/10.1002/2688-8319.12380
09.01.25, Monika Ratte
„Aber da summt und brummt es drin!“, „Glockenblume ist doch Glockenblume – oder?“
So oder so ähnlich fallen häufig die Reaktionen aus, wenn es um den Nutzen oder Nicht-Nutzen sogenannter Blühmischungen sowie verschiedener Pflanzen für Insekten geht. Und wenn man darauf hinweist, dass nur heimische Pflanzen wirklich helfen können, heimische Insektenpopulationen zu erhalten, dann wird oft nach Studien gefragt, die diese Aussage belegen.
Eine solche Studie gibt es jetzt.
Zum einen als Masterarbeit von Biologin M.Sc. Doris Lerch an der TU Darmstadt aus dem Jahr 2022, die die Frage untersucht hat: welche Pflanzen werden stärker von Insekten genutzt: Heimische Wildpflanzen oder nichtheimische Zierpflanzen? Um diese Arbeit geht es in diesem Text.
Zum anderen auch im Rahmen des Forschungsprojekts WiZik, in dem der Ansatz der Masterarbeit weitergeführt wird. Und zwar mit mehr Pflanzenarten, mehr Untersuchungsflächen, unter Einbeziehung von Sorten heimischer Pflanzen und mit erweiterter Fragestellung. „WiZik“ steht für „Potenzial von Wild- und Zierpflanzen für Insektenschutz und klimaresiliente Begrünung im urbanen Raum“ und läuft von 2023-2027 unter der Leitung des Instituts für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim in Kooperation mit zahlreichen Projektpartnern. Nähere Infos zu WiZik gibt es hier: https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/lore-steubing-institut/projekte/stadtbegruenung
Nun jedoch zur besagten Masterarbeit. Deren Ergebnisse wurden im September 2024 für jedermann zugänglich veröffentlicht: https://doi.org/10.1002/2688-8319.12380. Da aber nicht jeder gern wissenschaftliche Veröffentlichungen liest, schon gar nicht auf Englisch, möchte ich im Folgenden ein paar Ergebnisse vorstellen. Dazu hat die Erstautorin, Doris Lerch, wichtige Abbildungen auf Deutsch zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür!
Die eingängige Formulierung „Home, sweet home” im Titel der Publikation lässt direkt erahnen, worum es geht: Wie nützlich sind heimische und nichtheimische Pflanzen für Insekten? Weiter geht es dann etwas trockener: “Bewertung einheimischer und exotischer Pflanzen als Nahrungsressourcen für Insekten in städtischen Grünflächen“.
Und genau da wird es interessant, denn die für die Studie verwendeten und nach einem festgelegten Pflanzplan gemischt in extra angelegte Versuchsfelder angesiedelten Pflanzen wurden in Absprache mit städtischen Grünflächenämtern sehr gezielt ausgewählt (vollständige Liste):
sechs verbreitete und beliebte exotische Zierpflanzenarten wie z.B. Sonnenbraut Helenium cultorum „Rubinzwerg“, Fackellilie Kniphofia uvaria „Grandifolia“ oder Präriekerze Gaura lindheimeri „Whirling Butterfly“
sechs einheimische Wildpflanzenarten, z.B. die Wiesenwitwenblume Knautia arvensis oder die Rundblättrige Glockenblume Campanula rotundifolia,
sechs verwandte, nicht heimische Pflanzenarten aus der gleichen Gattung wie die jeweilige Wildpflanze, teils auch als Sorte, z.B. Mazedonische Witwenblume Knautia macedonica „Mars Midget“ oder Dalmatiner Glockenblume Campanula portenschlagiana „Birch“.
Im Rahmen der Studie wurde protokolliert, wie viele und welche Insekten die Blüten welcher Pflanzen besuchten. Insgesamt wurden 101 Insektenarten unterschieden, wenn auch nicht immer bis auf Art-Ebene bestimmt.
Spoiler: Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Annahme „Glockenblume ist gleich Glockenblume“ oder „Naja, ist ja die gleiche Gattung, dann passt das schon“ ein Trugschluss ist. Heimische Wildpflanzen wurden mit 67% aller Blütenbesuche signifikant häufiger besucht als verwandte nichtheimische Pflanzen (24%) und nicht verwandte exotische Pflanzen (9%). Dieses Ergebnis ist für Naturgärtner zwar nicht überraschend – es ist damit aber „amtlich“.
Das ist aber noch nicht alles. Abgesehen von dem Vergleich der reinen Absolutzahlen an blütenbesuchenden Insekten wurden sehr detaillierte sog. „Netzwerkanalysen“ durchgeführt. D.h. es werden Interaktionen dargestellt: Welche Insektenart besucht welche Pflanze? Die Visualisierungen der Beziehungen Pflanze-Insekten zeigen anschaulich, dass das beliebte Statement „Aber da summt und brummt es dran“ sich bei genauerem Hinsehen ebenfalls als Trugschluss entpuppt. Denn: wer summt und brummt denn da?
Schauen wir uns dazu die folgenden Bilder an. In der unteren Reihe sieht man die untersuchten Pflanzen, in der oberen Reihe die beobachteten Insekten. Die Linien dazwischen stehen für Interaktionen, d.h. Blütenbesuche. Es gilt:
je breiter ein Balken für eine Insektenart oder -gruppe, desto häufiger kamen diese vor.
je breiter ein Balken für eine Pflanzenart- oder -gruppe, desto mehr Interaktionen gab es mit dieser
je breiter die Linie für eine Interaktion, desto größer war die Anzahl dieser Interaktionen.
Aus den Netzwerkanalysen lässt sich eine schier unendlich große Vielfalt an Aussagen und Schlussfolgerungen ableiten. Bei den Bildern werden einige Lesebeispiele gezeigt.
Interaktionen Pflanzen – Insekten, jeweils in Gruppen zusammengefasst.
Lesebeispiel 1: An exotischen Pflanzen wurden weniger Interaktionen mit Insekten beobachtet als an heimischen Pflanzen (Balken ist schmaler)
Lesebeispiel 2: Exotische Pflanzen werden in erster Linie von der Honigbiene besucht, mit heimischen Pflanzen hingegen interagieren Insekten aus allen Gruppen.
Lesebeispiel 3: Wildbienen interagieren überwiegend mit heimischen Wildpflanzen, in geringerem Maße mit verwandten nichtheimischen Arten und fast gar nicht mit exotischen Pflanzen.
Wie Bild 1, jedoch Pflanzen und Insekten nach Arten bzw. Artengruppen aufgeschlüsselt.
Grün: heimische Wildpflanzen, gelb: verwandte, nichtheimische Arten, rosa: Exotische Zierpflanzen.
Lesebeispiel 1: An heimischem Wiesensalbei Salvia pratensis (5. von links) wurden insgesamt weniger Interaktionen beobachtet als an Quirlblütrigem Salbei Salvia verticillata „Purple Rain‘ (2. von links) (der grüne Balken ist schmaler als der gelbe), aber: An Salvia verticillata werden fast nur Honigbienen beobachtet, hingegen wird Salvia pratensis von diversen Insektenarten genutzt.
Lesebeispiel 2: An der heimischen Gewöhnliche Schafgarbe Achillea millefolium (ganz rechts), finden wesentlich mehr Interaktionen mit Insekten statt als an der nichtheimischen Goldquirl-Garbe Achillea clypeolata „Moonshine“, 3. von rechts (der grüne Balken ist deutlich breiter als der gelbe).
Lesebeispiel 3: Die heimische Wiesenschafgarbe Alchillea millefolium, ein Korbblüter, die ebenso wie alle Doldenblüter ihren Pollen und Nektar offen anbietet. Sie ist eine wichtige und in dieser Studie fast exklusive Nahrungspflanze für kurzrüsselige Fliegen und Wespen.
Vergleich Blütennutzung von Honigbienen und Wildbienen
Achtung: oben nur Honigbienen (mittlerer Balken) und verschiedene Wildbienenarten (übrige Balken) dargestellt.
Grün: heimische Wildpflanzen, gelb: verwandte, nichtheimische Arten, rosa: exotische Zierpflanzen.
Lesebeispiel 1: Die heimische Rundblättrige Glockenblume Campanula rotundifolia (links außen) wird häufiger besucht als die nichtheimische Dalmatiner Glockenblume Campanula portenschlagiana (zweite von links) (der grüne Balken ist breiter als der gelbe).
Lesebeispiel 2: Die beiden beobachteten Arten der auf Glockenblumen spezialisierten Glockenblumenscherenbienen nutzen ausschließlich (Art 1) oder fast ausschließlich (Art 2) die heimische Glockenblumenart (graue Interaktionen).
Lesebeispiel 3: Nichtheimische Zierpflanzen (gelb) und erst recht exotische Pflanzen (rosa) werden weniger genutzt (Balken sind meist schmal) und wenn, dann überwiegend von Honigbienen (lilafarbende Interaktionen)
Die Ergebnisse zeigen,
dass es sehr exklusive Beziehungen zwischen heimischen Insekten und heimischen Wildpflanzen gibt, die sich nicht durch verwandte Pflanzenarten und schon gar nicht durch exotische Zierpflanzen ersetzen lassen
dass der Eindruck von „es summt und brummt“ oft durch Honigbienen dominiert ist und somit nichts über die wirkliche Nützlichkeit einer Pflanze für Insektenpopulationen aussagt.
Aus den Ergebnissen kann man auch wichtige Schlussfolgerungen für die sinnvolle Zusammensetzung von Blühmischungen ziehen. Diese enthalten nämlich oft überwiegend nichtheimische Arten und dienen damit nur der Honigbiene. Und die klare Empfehlung, die Dosis Lerch aus ihrer Arbeit zieht, lautet: Eine Fläche, die alle Insektengruppen unterstützen soll, sollte mindestens zwei oder drei Doldenblütler enthalten.
Last but not least: die Masterarbeit untersucht auch die Eignung der verschiedenen Pflanzen als Futterpflanze. Auch dabei zeigte sich, dass heimische Wildpflanzen am meisten genutzt wurden (durchschnittlich 2,3% der untersuchten Blattfläche), gefolgt von verwandten, nicht heimischen Arten (0,8%). Nicht verwandte exotische Pflanzen wurden kaum (0,1%) von Herbivoren gefressen.
Und wer jetzt neugierig geworden ist: Die Masterarbeit von Doris Lerch enthält zusätzliche Hintergrundinfos und viele weitere interessante Ergebnisse: Masterarbeit Druckversion Doris Lerch neu.pdf
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Beitrag zur Publikation Lerch D., Blüthgen N., Mody K. (2024): „Home sweet home: Evaluation of native versus exotic plants as resources for insects in urban green spaces“ Ecological Solutions and Evidence, Volume 5, Issue 3; https://doi.org/10.1002/2688-8319.12380
09.01.25, Monika Ratte
„Aber da summt und brummt es drin!“, „Glockenblume ist doch Glockenblume – oder?“
So oder so ähnlich fallen häufig die Reaktionen aus, wenn es um den Nutzen oder Nicht-Nutzen sogenannter Blühmischungen sowie verschiedener Pflanzen für Insekten geht. Und wenn man darauf hinweist, dass nur heimische Pflanzen wirklich helfen können, heimische Insektenpopulationen zu erhalten, dann wird oft nach Studien gefragt, die diese Aussage belegen.
Eine solche Studie gibt es jetzt.
Zum einen als Masterarbeit von Biologin M.Sc. Doris Lerch an der TU Darmstadt aus dem Jahr 2022, die die Frage untersucht hat: welche Pflanzen werden stärker von Insekten genutzt: Heimische Wildpflanzen oder nichtheimische Zierpflanzen? Um diese Arbeit geht es in diesem Text.
Zum anderen auch im Rahmen des Forschungsprojekts WiZik, in dem der Ansatz der Masterarbeit weitergeführt wird. Und zwar mit mehr Pflanzenarten, mehr Untersuchungsflächen, unter Einbeziehung von Sorten heimischer Pflanzen und mit erweiterter Fragestellung. „WiZik“ steht für „Potenzial von Wild- und Zierpflanzen für Insektenschutz und klimaresiliente Begrünung im urbanen Raum“ und läuft von 2023-2027 unter der Leitung des Instituts für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim in Kooperation mit zahlreichen Projektpartnern. Nähere Infos zu WiZik gibt es hier: https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/lore-steubing-institut/projekte/stadtbegruenung
Nun jedoch zur besagten Masterarbeit. Deren Ergebnisse wurden im September 2024 für jedermann zugänglich veröffentlicht: https://doi.org/10.1002/2688-8319.12380. Da aber nicht jeder gern wissenschaftliche Veröffentlichungen liest, schon gar nicht auf Englisch, möchte ich im Folgenden ein paar Ergebnisse vorstellen. Dazu hat die Erstautorin, Doris Lerch, wichtige Abbildungen auf Deutsch zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür!
Die eingängige Formulierung „Home, sweet home” im Titel der Publikation lässt direkt erahnen, worum es geht: Wie nützlich sind heimische und nichtheimische Pflanzen für Insekten? Weiter geht es dann etwas trockener: “Bewertung einheimischer und exotischer Pflanzen als Nahrungsressourcen für Insekten in städtischen Grünflächen“.
Und genau da wird es interessant, denn die für die Studie verwendeten und nach einem festgelegten Pflanzplan gemischt in extra angelegte Versuchsfelder angesiedelten Pflanzen wurden in Absprache mit städtischen Grünflächenämtern sehr gezielt ausgewählt (vollständige Liste):
Im Rahmen der Studie wurde protokolliert, wie viele und welche Insekten die Blüten welcher Pflanzen besuchten. Insgesamt wurden 101 Insektenarten unterschieden, wenn auch nicht immer bis auf Art-Ebene bestimmt.
Spoiler:
Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Annahme „Glockenblume ist gleich Glockenblume“ oder „Naja, ist ja die gleiche Gattung, dann passt das schon“ ein Trugschluss ist. Heimische Wildpflanzen wurden mit 67% aller Blütenbesuche signifikant häufiger besucht als verwandte nichtheimische Pflanzen (24%) und nicht verwandte exotische Pflanzen (9%). Dieses Ergebnis ist für Naturgärtner zwar nicht überraschend – es ist damit aber „amtlich“.
Das ist aber noch nicht alles.
Abgesehen von dem Vergleich der reinen Absolutzahlen an blütenbesuchenden Insekten wurden sehr detaillierte sog. „Netzwerkanalysen“ durchgeführt. D.h. es werden Interaktionen dargestellt: Welche Insektenart besucht welche Pflanze?
Die Visualisierungen der Beziehungen Pflanze-Insekten zeigen anschaulich, dass das beliebte Statement „Aber da summt und brummt es dran“ sich bei genauerem Hinsehen ebenfalls als Trugschluss entpuppt. Denn: wer summt und brummt denn da?
Schauen wir uns dazu die folgenden Bilder an. In der unteren Reihe sieht man die untersuchten Pflanzen, in der oberen Reihe die beobachteten Insekten. Die Linien dazwischen stehen für Interaktionen, d.h. Blütenbesuche. Es gilt:
Aus den Netzwerkanalysen lässt sich eine schier unendlich große Vielfalt an Aussagen und Schlussfolgerungen ableiten. Bei den Bildern werden einige Lesebeispiele gezeigt.
Die Ergebnisse zeigen,
Aus den Ergebnissen kann man auch wichtige Schlussfolgerungen für die sinnvolle Zusammensetzung von Blühmischungen ziehen. Diese enthalten nämlich oft überwiegend nichtheimische Arten und dienen damit nur der Honigbiene. Und die klare Empfehlung, die Dosis Lerch aus ihrer Arbeit zieht, lautet: Eine Fläche, die alle Insektengruppen unterstützen soll, sollte mindestens zwei oder drei Doldenblütler enthalten.
Last but not least: die Masterarbeit untersucht auch die Eignung der verschiedenen Pflanzen als Futterpflanze. Auch dabei zeigte sich, dass heimische Wildpflanzen am meisten genutzt wurden (durchschnittlich 2,3% der untersuchten Blattfläche), gefolgt von verwandten, nicht heimischen Arten (0,8%). Nicht verwandte exotische Pflanzen wurden kaum (0,1%) von Herbivoren gefressen.
Und wer jetzt neugierig geworden ist: Die Masterarbeit von Doris Lerch enthält zusätzliche Hintergrundinfos und viele weitere interessante Ergebnisse: Masterarbeit Druckversion Doris Lerch neu.pdf