Tiny Forests – ein erster Schritt in die richtige Richtung oder Greenwashing?

„Tiny Forests“ erscheinen vielen als ökologisch wertvolle Maßnahme, die sowohl dem Klimaschutz als auch der Biodiversität diene. Jedoch ist ihre häufige Bewerbung als klimafreundliche CO2-Senke ebenso kritisch zu betrachten wie ihr tatsächlicher Beitrag zur Steigerung der Artenvielfalt.

Was ist ein „Tiny Forest“?

„Tiny Forests“ sind Baum- und Gehölzflächen auf kleinstem Raum (100 bis ca. 1.000 m²). Der Begriff ist ein geschützter Markenname des niederländischen Vereins „IVN Natuureducatie“[1] basierend auf dem von Akira Miyawaki für Japan entwickelten Aufforstungskonzept. Dabei geht es um die Pflanzung standortangepasster, diverser Forste, die vor allem im urbanen Raum eine Vielzahl an Ökosystemdienstleistungen versprechen: Die „Tiny Forests“ sollen das Kleinklima kühlen, Schadstoffe aus der Luft filtern, Wasser speichern und Schall absorbieren, außerdem Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Arten und Erholungsraum für Menschen sein. Für diese Methode kommen vor allem Flächen von geringem ökologischen Wert in Betracht, die durch eine entsprechende Regeneration des Bodens (oft durch das Einbringen von Terra Preta etc.) und eine dichte Bepflanzung innerhalb kurzer Zeit in Forst-Ökosysteme umgewandelt werden sollen.

Dieses Konzept einer durch den Menschen beschleunigten Sukzession wird nun zunehmend von bürgerschaftlichen Initiativen meist als Umweltbildungsprojekt und teilweise mit wissenschaftlicher Begleitung von Universitäten (Wageningen[2], Eberswalde[3]) auf den europäischen Raum übertragen.

1. Kleine Baumgruppen als Teil eines strukturreichen, naturnahen Geländes sind sinnvoll.

Wir brauchen im besiedelten Raum Bäume, um das Kleinklima abzukühlen, aber nicht als urbane Wälder mit einem geschlossenen Kronendach. Hier kann die Wärme des Tages in der Nacht nicht nach oben aufsteigen und deshalb kühlen sie die Umgebung nicht so gut ab wie halboffene Landschaftsparks. Als Kleinstwäldchen unter 1.000 m² können „Tiny Forests“ zu einer solchen halboffenen Situation beitragen und durch eine dichte Strauch- und Krautschicht ein wertvoller Lebens- und Rückzugsraum sein. Auch ist die Hoffnung auf weitere der genannten Ökosystemdienstleistungen durchaus nachvollziehbar.

Entscheidend für den ökologischen Wert solcher Pflanzungen sind jedoch einerseits die gesetzten Pflanzen selbst, sowie andererseits die Art und Weise der Umsetzung.

Bei den verwendeten Gehölzen soll es sich um die heimischen Wildformen, nach Möglichkeit autochthoner Herkunft handeln. Exotische Arten konnten sich nicht in Koevolution mit den anderen Arten unserer Ökosysteme entwickeln, daher können kaum heimische Tierarten von ihnen profitieren. Sorten hingegen sind genetische Klone, die als Auslese eine Verarmung der genetischen Vielfalt bedeuten und weniger Resilienz gegenüber diversen Klimafolgen aufweisen als die variable Wildform oder gar als deren autochthones Vorkommen. Leider sind diese eigentlich sinnvollen Gehölze standortheimischer Herkünfte Mangelware und werden für Begrünungen in der freien Natur dringend gebraucht. Da erscheint es als sinnvolle Alternative, die Pflanzdichte zu reduzieren oder in einem Staudenbeet oder einer Gehölzgruppe spontan aufgekommene einheimische Baumarten zu pflegen. Die in dieser Hinsicht konsequenteste Variante wäre schließlich, „Tiny Forests“ zu säen. Bäume, die aus Aussaat entstanden sind, sind wesentlich klimaresilienter als gepflanzte Exemplare[4], weil nur gesäte Pflanzen ein ungestörtes Wurzelsystem entwickeln können.

Für die Förderung der biologischen Vielfalt ist vor allem darauf zu achten, dass diese Wäldchen umgeben sind von einem strukturreichen und vielfältigen Gelände mit Sträuchern, höheren wiesenartigen Flächen usw. Erst als Baustein in einem Mosaik verschiedener naturnaher Lebensraumtypen entfaltet der „Tiny Forest“ sein ökologisches Potenzial. Fraglich ist schließlich, ob es notwendig ist, die Bäume über eine so ressourcenintensive Technik zu pflanzen, wie das bei Tiny Forests z.T. üblich ist: Bodenaustausch und Verbesserung mit Terra Preta und Kompost, Aufpflanzen unzähliger Jungpflanzen, von denen am Ende nur wenige überleben werden. All diese Materialien und Arbeitsschritte produzieren CO2 und gerade auf humusreichen Böden führt die Bodenstörung allein schon zu einer Freisetzung von Bodenkohlenstoff.

2. Tiny Forests pflanzen – aber bitte nicht für das Klima.

Während „Tiny Forests“ mit erwartbaren Umweltdienstleistungen im urbanen Raum und als ökologischer Baustein durchaus sinnvoll scheinen, stehen wir ihrer Bewerbung als CO2-Senken kritisch gegenüber.

Grundsätzlich gilt: um eine verifizierbare Aussage über die CO2-Reduzierung durch Baumpflanzungen sowie Waldbewirtschaftung/-schutz oder -restaurierung zu machen, muss zuerst eine glaubwürdige Aussage darüber entwickelt werden, was mit dem Land passiert wäre, wenn keine Eingriffe oder andere Renaturierungsmaßnahmen vorgenommen worden wären. Alle diese Beurteilungen können also nur auf einen konkreten Standort mit seinen diversen Lebensgemeinschaften bezogen sein, einfache Lösungen gibt es hier nicht.

Bäume pflanzen tut gut – und lässt sich gut verkaufen.

Dass Bäume einen Lösungsansatz in der Klimakrise darstellen, erscheint intuitiv richtig: Wir kennen den angenehmen Schatten unter einem Baum oder die Kühle des Waldes und wir sehen, dass dort, wo ein Baum wächst, Biomasse entsteht, die vorher nicht da war, also nehmen wir an, dass Bäume das Klima abkühlen und Kohlenstoff binden. Im Rahmen des Green Deal sollen zusätzlich 3 Milliarden Bäume gepflanzt werden.[5] Außerdem müssen demnächst nicht nur börsennotierte Unternehmen, sondern alle Betriebe ab 250 Mitarbeitenden Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Auch dies lässt zur vermeintlich einfachen Lösung „Ich pflanze einen Baum und rette das Klima und die Biodiversität“ greifen. Damit wächst der Markt für Firmen die im Bereich Anbau und Pflanzung von Bäumen tätig sind. Innovative Firmen bieten Komplettlösungen einschließlich der CO2-Zertifikate an.

Aber: „Bäume pflanzen, um Kohlenstoff zu binden ist zu kurz gedacht“[6] und nicht jede Baumpflanzung fördert die biologische Vielfalt.

Der Beitrag von Bäumen zur Kohlenstoffbindung ist erstaunlich gering.[7] Dies liegt einmal daran, dass der Kohlenstoff, der im Holz gebunden ist, wieder freigesetzt wird, wenn der Baum abgestorben ist und andererseits, dass der Großteil des in Landlebensräumen gebundenen Kohlenstoffs im Boden zu finden ist (ca. 4-mal so viel wie oberirdisch). Waldböden sind dabei nicht die besten Kohlenstoffspeicher, Grünlandböden und Moore sind ihnen weit überlegen. In Deutschland speichern Grünlandböden durchschnittlich doppelt so viel Kohlenstoff wie Waldböden (Thünen-Institut[8]). Was aber viel schwerer wiegt: Wälder absorbieren Sonnenstrahlung viel besser als Grünland und bewirken deshalb eine Erwärmung des Klimas. Dass dieser physikalische Effekt (Albedo) stärker ist als der biologische der relativ geringen Netto-Kohlenstoffspeicherung[9] wurde nicht nur für die Wälder der Nordhalbkugel, sondern auch für Savannen nachgewiesen[10]. Auch wenn es unserer Alltagserfahrung widerspricht: es ist klimaschädlich, vor allem in nördlichen Breitengraden und in Savannen, Grasland aufzuforsten. Wir haben keine Nachweise gefunden, dass „Tiny Forests“ – gesamtheitlich betrachtet – tatsächlich Kohlenstoff binden.

3. Kindern und Jugendlichen wird Selbstwirksamkeit beim Umwelt- und Klimaschutz suggeriert

Eine Bewerbung der „Tiny Forests“ bedient die intuitiv nachvollziehbare Erzählung, dass Bäume pflanzen die Klimakrise bekämpfen kann. Diese „Baumerzählung“ wird emotional tief in den Kindern und ihren Familien verankert und die Informationen über komplexere naturwissenschaftliche Zusammenhänge und die Notwendigkeit eines Transformationsprozesses in Richtung eines klimafreundlichen Wirtschaftens damit erschwert. Sie suggerieren Kindern und Jugendlichen, sie könnten durch diese Maßnahme wirkungsvoll etwas gegen die Klimakrise tun.

„Tiny Forest“ als Greenwashing? – ein Beispiel aus Hamburg

In Hamburg und anderswo werden gerade Tiny Forests von der gemeinnützigen „Arboretum Foundation“[11] intensiv beworben und als „Rundumsorglos-Paket“ in Schulen angeboten („Hamburgs Schulen forsten auf“/„Deutschlands Schulen forsten auf“).[12] Die „Arboretum Foundation“ (Neuer Wall 35, 20354 Hamburg, CEO und Founder: Stephanie Lahnstein) ist eine Tochter der „Arboretum Solutions“[13] (Neuer Wall 35, 20354, CEO Stephanie Lahnstein), die Unternehmenswälder anbietet. Sie arbeitet eng mit dem Forstbetrieb Schrader zusammen, der vor kurzem von der Vorsprung GmbH aufgekauft wurde, die dieselbe Adresse als Firmensitz hat (vorsprungpartners.com, Neuer Wall 35, 20354 Hamburg, CEO Florian Lahnstein).

Ein „Tiny Forest“ ist zuallererst ein spezielles Umweltbildungsprojekt und kann als ein Realexperiment schwerlich die Basis für „transparente und verifizierte“ CO2-Zertifikate sein, wie sie die Arboretum Solutions mit ihrem Firmennetzwerk verspricht.

NaturGarten e.V.

AK Politik & AK NaturErlebnisRäume

Ulrike Aufderheide, Heike Elvers, Michael Felstau, Karsten Mody, Franz Straubinger


Foto: Der erste Tiny Forest Deutschlands in Bönningstedt am Tag der Pflanzung, 2019 © Von Wango – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=128041033

Hier das PDF.

[1] IVN Naturpädagogik, Tiny Forest® siehe https://www.ivn.nl/aanbod/tiny-forest/
[2] Wageningen, University & Research, Nachricht vom 23.04.2018: Städtische Kleinwälder sind gut für die Artenvielfalt: https://www.wur.nl/en/newsarticle/Urban-tiny-forests-are-good-for-biodiversity.htm
[3] MIYA e.V. Eberswalde, Monitoring: https://www.miya-forest.de/forschung

[4] Forschungsartikel von Jonas Schmeddes, Lena Muffler, Adrià Barbeta, Ilka Beil, Andreas Bolte, Stefanie Holm, Pascal Karitter, Marcin Klisz, Magnus Löf, Manuel Nicolas, Josep Peñuelas, Yann Vitasse, Robert Weigel, Jürgen Kreyling (07.12.2023): Hohe phänotypische Variation innerhalb der Nachkommen jedes Mutterbaums in Fagus sylvatica, unabhängig von der Umgebung oder der Quellpopulation https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/geb.13794

[5] Veröffentlichung der Europäischen Union, 3 Milliarden Bäume bis 2023, Biodiversitätsstrategie der EU:
https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/c1318a76-054e-11ec-b5d3-01aa75ed71a1/language-de
[6] Klimaforscher Martin Claussen, persönliche Kommunikation, Zitiererlaubnis liegt vor.
[7] Martin Claussen, Max-Planck-Institut für Meteorologie und Universität Hamburg: Vegetation und ihre Wechselwirkungen mit dem globalen Klima, Beitrag zum Buch „Zukunft des Klimas“ (2015):
https://mpimet.mpg.de/fileadmin/portfolios/92/Reading/claussen_fliegengewicht_2015.pdf
[8] Thünen Report 64: Landwirtschaftlich genutzte Böden in Deutschland – Ergebnisse einer Bodenzustandserhebung, https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_64.pdf

[9] Calov, Reinhard & Ganopolski, Andrey & Claussen, Martin & Petoukhov, V. & Greve, Ralf. (2005). Transient simulation of the last glacial inception. Part 1. Climate Dynamics. 24. 10.1007/s00382-005-0007-6: https://www.pik-potsdam.de/~calov/pre_prints/calov_et_al_2005_part_1.pdf
[10] Rohatyn, Shani & Yakir, Dan & Rotenberg, Eyal & Carmel, Yohay. (2022). Limited climate change mitigation potential through forestation of the vast dryland regions. Science. 377. 1436-1439: https://www.science.org/doi/epdf/10.1126/science.abm9684
[11] https://www.arboretumfoundation.de/
[12] https://www.hamburgsschulenforstenauf.de/gemeinn%C3%BCtzigkeit
[13] https://www.arboretumsolutions.com/