Natur&Garten – Magazin 01/2021

Zum Natur &Garten – Magazin 2/2020 „Klimawandel-Klimakrise-Klimakatastrophe- Der Naturgarten als Teil der Lösung in einer sich ändernden Welt“ gab es einige Zuschriften, unter anderem aus der Hochschule Eberswalde, die sich insbesondere kritisch mit der Aussage auseinandersetzten, dass die Klimakrise nicht durch das Pflanzen von Bäumen bekämpft werden kann.


So wurde angeführt:

  1. Die zitierte Studie von Bethniany et. al. 2010 ist eine einzelne Arbeit, die zu der offensichtlich absurden Folgerung führt, dass das Abholzen der Wälder in Deutschland zu einer Abkühlung des Klimas führt.
  2. Der erwärmende Effekt das reduzierten Albedos muss in Relation zur Speicherung von Kohlenstoff in der Wachstumsphase der Wälder gesetzt werden, wodurch sich der Breitengrad, wo Wälder einen erwärmenden Effekt auf das Klima haben, nach Norden verschiebt (auf den 60ten Breitengrad in Europa und den 55ten Breitengrad in Nordamerika)
  3. Die Erwärmung des Klimas, durch den reduzierten Albedo, wird durch die abkühlenden Wirkung durch die Verdunstung konterkariert.
  4. Die langfristige Speicherung von CO2 in Wäldern kann nicht mit einer kurzfristigen Umsetzung von C bei „Annuellen“ gegenüber verglichen werden. (Damit sind dann wohl Wiesen und Weiden gemeint)
  5. Es wurde der Aussage widersprochen, dass der Boden der vorrangig wirksame C-Speicher ist.
  6. Die Wälder in Deutschland haben in den Jahren 2012 bis 2017 62 Millionen t CO2-Äqivalente aufgenommen.
    Wir fanden das interessant und hätten gerne eine weitere Diskussion geführt, die wir gerne veröffentlicht hätten. Leider waren die Absender der Nachrichten nicht dazu bereit. Trotzdem möchten wir hier unsere Antwort allen Mitgliedern des NaturGarten e.V. zur Verfügung stellen:
    Insgesamt konnten uns die angeführten Belege nicht überzeugen. Allen Arbeiten ist eine Denkfigur gemein, die Wälder nicht in ihrem Reifestadium betrachtet, sondern sich auf den Holzzuwachs nach einer Aufforstung konzentriert. Dadurch kommt auch die Arbeit von Mykleby et al, die 2017 erschien und die zwar viele Arbeiten zum Thema zitiert, aber nicht die Arbeit von Bethniany, zu dem Schluss, dass der Effekt von Wäldern, auf den Albedo, durch die Kohlenstoffbindung in der Wachstumsphase nach einer Aufforstung südlich des 55ten Breitengrades ausgeglichen werden kann. Es wird eine dauerhafte Bewirtschaftung mit Nadelbäumen, die regelmäßig geerntet werden, empfohlen. Wir können dem nicht folgen, weil der in den geernteten Nadelbäumen gespeicherte Kohlenstoff ja über kurz oder lang wieder freigesetzt wird. Außerdem wird, so weit ich sehe, die Auswirkung von forstlichen Arbeiten auf den im Boden gebundenen Kohlenstoff nicht betrachtet.
    Das Naturgarten-Fachmagazin bezieht seine Informationen hauptsächlich aus dem Buch „Die Zukunft des Klimas“, herausgegeben von Jochem Marotzke und insbesondere dem Text von Martin Claußen zur Rolle der Vegetation.
    In dem Heft wird die Speicherung von CO2 in Wäldern nicht Annuellen-Bestände gegenübergestellt werden sollten sondern der C-Speicherung der Grasländer und zwar insbesondere der beweideten Grasländer. Die Beweidung bewirkt ein dauerhaftes Nachwachsen der (abgeweideten) krautigen Pflanzen während der Vegetationsperiode, wobei ein großer Teil diese Biomasse über den Tritt der Tiere und die Kot abbauenden Organismen ziemlich schnell dem Boden-Kohlenstoffspeicher zugeführt wird. Dies ist wohl ein Hauptaspekt, warum der Bodenkohlenstoffvorrat von Grünländern höher liegen kann als der von Wäldern (Martin et. al, 2011, Biogeosciences 8(5), 1053-1065) und auch bei einer Umstellung von Wald auf extensive (Wald-)Weide nicht sinken muss (Perez-Suares et al. 2018, BioOne, 38(2), 125-134). Gleichzeitig zeichnen sich diese extensiv genutzten Grasländer in Europa durch eine besonders hohe Biodiversität aus. Dabei ist die Biodiversität der offenen und halboffenen Lebensräume in wesentlich größerem Maße bedroht als die der Wälder. Wenn Aufforstung als ein Weg aus der Klimakrise verfolgt wird, besteht die Gefahr, dass die letzten dieser wertvollen Lebensräume nun der Sukzession überlassen oder aufgeforstet werden, weil es vermeintlich auf Grund der Klimakrise geboten sei. Meines Erachtens besteht die Gefahr, dass Aufforstung eher von der eigentlichen Herausforderung ablenkt, nämlich der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise.
    Der genannten Zahl von 62 Millionen t CO2-Äquivalenten, die in Wäldern gebunden wurden, kann man die Einsparung an CO2-Emmission, die bei einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen auf 100 km/h zu erreichen wäre, gegenüberstellen. Das sind nach Angaben des Umweltbundesamtes 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr, in den genannten 5 (6?) Jahren wären das 27 (32,4) Mio. t gewesen, die Einsparung durch eine fast kostenneutrale Verhaltensänderung liegt also im Bereich (gemeint als Zehnerpotenzbereich) der CO2 Aufnahme der Wälder Deutschlands, die mit sehr viel öffentlichem Geld unterstützt wird. Dabei ist diese Speicherung im Gegensatz zu CO2, das nicht emittiert wird, nicht irreversibel, sondern kann durch Trockenheit, Insekten-Kalamitäten, Waldbrände oder Stürme wieder freigesetzt werden. Außerdem fällt der „Gewinn“ einer Verhaltensänderung in jedem Jahr an, während die CO2-Aufnahme von Wäldern nicht unendliche weitergeht, sondern „endlich“ ist, da die Bäume „nicht in den Himmel wachsen können“. Eine kontinuierliche Speicherung von Kohlenstoff ist in der Reifephase der Wälder dann doch nur noch im Boden möglich. Damit ergibt sich, dass das im Holz gebundene CO2 über kurz oder lang wieder freigesetzt wird. Ein Teil des geernteten Holzes ersetzt vielleicht fossile Brennstoffe – aber für welchen Anteil trifft das zu? Bevor diese Frage beantwortet ist, kann hier nicht einfach von einem Entlastungseffekt ausgegangen werden, zumal das Entstehen erheblicher Feinstaubmengen bei der Verbrennung im Haushaltsbereich (oft eher zum Vergnügen als zum Heizen) die Gesamtbetrachtung zusätzlich verkompliziert.
    https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/tempolimit-auf-autobahnen-mindert-co2-emissionen
    Dass der eigentliche klimaschützende Effekt von Holzproduktion in der vermiedenen Emission bei der Produktion von nicht regenerativen Materialien liegt, ist nachvollziehbar. Allerdings muss auch untersucht werden, wie die Einflüsse der Waldbewirtschaftung Bodenkohlenstoff und Albedo beeinflussen. Auch der gesamte energetischen Rucksack des Holzwerkstoffs ist zu berücksichtigen sowie eine mögliche Null-Variante (im Sinne der Nichtproduktion des Werkstoffs auf Grund geänderte Ansprüche durch die notwendige Transformation – weniger Wohnraum je Person, längerlebige Materialien, wenige Transporte etc.).
    https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/klima-und-umwelt/holzverwendung-ist-klimaschutz
    In den im Magazin zitieren Arbeiten wird der Abkühlungseffekt durch die Verdunstung als lokal, die Wirkung der Albedo-Erniedrigung als global bezeichnet.
    Natürlich ist der oberirdisch neu gebundene Kohlenstoff bei der Aufforstung eines vorher nicht bewaldeten Standortes ein Netto-Gewinn. Der weltweit (rein theoretisch und einmalig) zu erreichende Gewinn wird unterschiedlich beziffert. Eine sehr umstrittene Arbeit von Bastin et. al. (2019) errechnete 205 GtC, die für mich nachvollziehbare Kritik von Veldmann et al, Sience 366 (2019)
    geht davon aus, dass dies fünffach überschätzt ist, (41GtC). In der zitierten Buchveröffentlichung der Max-Planck-Gesellschaft wird von 100 GtC bis zum Jahr 2100 ausgegangen, also 5% der bis zu diesem Zeitpunkt zu erwarteten Kohlendioxid-Emissionen oder weniger als die Hälfte, der bis zum Jahr 2009 durch den Menschen verursachten, zusätzlichen 240 GtC.
    Unser Magazin fordert nicht das Abholzen der Wälder in Mitteleuropa. Die Propagierung der Aufforstung als probates Mittel gegen die Klimakrise lenkt aber von der eigentlichen Herausforderung, der gesellschaftlichen Transformation ab und setzt die Biodiversität weiter unter Druck, zum Beispiel, wenn naturschutzfachlich wertvolle Offen- oder Halboffenlandschaften aufgeforstet werden. Wenn für Aufforstungen Moorstandorte entwässert werden oder historisch alte Wälder abgeholzt werden, weil ja nur die Aufforstung einen „Gewinn“ bringe, ist eine netto-CO2-Freisetzung sogar unvermeidbar.