Die naturnahe Gestaltung von Grünflächen wird immer breiter diskutiert und auch in Gartenzeitschriften kommentiert, sie ist im sogenannten „mainstream“ angekommen. Zunehmend gibt es Beiträge von Autorinnen oder Autoren, die selber nicht in diesem Bereich arbeiten oder die naturnahe Gestaltung aus den verschiedensten Gründen ablehnen. In einem Positionspapier sollen die in den vergangenen Jahren immer wiederkehrenden Argumente gegen naturnahe Gärten, also Gärten, in denen (auch) die biologische Vielfalt gefördert werden soll, aufgeführt und kommentiert werden. Die angegebenen Belegstellen sind nur beispielhaft.
In einem Argumentationspapier gibt Ulrike Aufderheide Antworten auf die zwölf häufigsten Vorurteile, die naturnahen Gärten entgegengebracht werden:
1. ,,Naturnahe Gärten sind abzulehnen, weil ein Garten keine Natur sein kann.,, Das Verhältnis von Kultur und Natur kann auf verschiedene Weise beschrieben und erlebt werden. Natur wird einmal als Gegensatz zu dem vom Menschen gestalteten Raum und damit als „bedroht“, dann als Gegenüber und „bedrohlich“ oder als etwas, das der Verbesserung durch die Kultur des Menschen bedarf, also als „bedürftig“ wahrgenommen. Wir können uns selbst aber auch als Teil der Natur auffassen und anerkennen, dass wir längst in Zeiten des Anthropozäns angekommen sind, dass wir also die Natur nicht rückholbar verändert haben. Bei Naturgärtner*innen führt diese Erkenntnis aber nicht dazu, die Hände in den Schoß zu legen und den Dingen ihren (schrecklichen) Lauf zu lassen. Sie tun vielmehr das, was alle Gärtner*innen immer schon getan haben, sie leisten sich das Besondere, das was es außerhalb des Gartenzauns nicht gibt. Für Naturgärtner*innen sind dies einheimische Tiere und Pflanzen. Sie geben ihrem Garten einen zusätzlichen Zweck: die Förderung der biologischen Vielfalt. Wenn ein Garten aber die biologische Vielfalt fördern soll, dann ist die Frage, wie er gestaltet wird, keine Frage der Begrifflichkeit, sondern ein Lernprozess, der immer wieder die Ergebnisse der Naturwissenschaft in die Gartengestaltung einbezieht: * Mit welchen Pflanzen kann ich die biologische Vielfalt am besten fördern? Mit einheimischen Wild pflanzen, da nur sie sich mit unserer Tierwelt in Koevolution entwickelt haben. * Wie sollte ich am besten Bauwerke im Garten erstellen? Versickerungsoffen und begrünt, weil so das Regenwasser versickern kann und seltene magere Lebensräume entstehen (Paradebeispiel ist hier der ,,Blumenschotterrasen“). * Wie sollte ich meinen Garten pflegen? So, dass ich die biologische Vielfalt fördere, statt sie zu schädigen.
2. ,,Besonders artenreiche Landschaften mit Hecken, Wiesen, Weiden, Heiden, Truppenübungsplätze sind ein Produkt menschlicher Tätigkeit. Wer Artenreichtum anstrebt, will also gerade eine künstlichen und keinen natürlichen Zustand, damit führt sich der Begriff Naturgarten ad absurdum.“ Meist imitiert eine biodiversitätsfördernde Anlage und vor allem die biodiversitätsfördernde Pflege die Störfaktoren der besonders artenreichen halboffenen Landschaften. Das ist der Landschaftstyp, in dem unsere Biodiversität in den letzten 2 Millionen Jahren entstanden ist: Störungen durch Beweidung, Überschwemmungen, Waldbrände, Hangrutschungen schufen immer wieder neue Lebensräume für die Arten, die heute als „Kulturfolger“ oft geringer geachtet werden als die Arten der so genannten „Klimaxgesellschaften“. Mit Klimaxgesellschaft wird der theoretisch postulierte Endpunkt der Sukzession vom blanken mineralischen Boden aus bezeichnet, der dann nicht mehr oder nur noch punktuell weiteren Entwicklungen unterliegt. In Mitteleuropa sind das meist Laubmischwälder. Dabei werden Einflüsse von großen Pflanzenfressern als „künstlich“ ausdrücklich nicht betrachtet – und in der realen Forstwirtschaft ja auch so weit wie möglich unterdrückt. Dabei ist es wahrscheinlich, dass das Konzept der Klimaxgesellschaft lediglich eine Beschreibung der schon stark vom Menschen veränderten Landschaft zu einer bestimmten Zeit ist, nämlich der Zeit der auf kommenden Wissenschaften. Biologen und besonders Agrar- und Forstwissenschaftler trafen in Mitteleuropa auf streng abgegrenzte Felder, Wiesen und Weiden ohne wilde Rinder und Pferde oder gar Altelefanten und Nashörner. Die Einflüsse der Nutztiere, die die ökologischen Planstellen der Großtiere teils ersetzen können, waren und sind auf die Flächen außerhalb der Wälder begrenzt. Der „natürliche“ Pflanzenfresserbestand wird dabei selbstreferenziell über das Vorhandensein von Naturvedüngung definiert. Naturverjüngung von Gehölzen ist aber auch in beweideten halboffenen Landschaften möglich, nur eben anders als in unbeweideten Wäldern. Eichen können sich zum Beispiel in dichten Wäldern nicht reproduzieren, wohl aber auf extensiven Weiden.
3. ,,Der traditionelle Garten mit seinen exotischen Pflanzen ist schützenswertes Kulturgut. „ Das ist sicherlich richtig. Der NaturGarten e.V. möchte für einen Garten, der gleichzeitig die biologische Vielfalt fördert, werben und begeistern. Ein Garten ist dann gut und schön, wenn er uns glücklich macht. Begeisterte „klassische“ Gärtner*innen sind glücklich in ihrem mit erlesenen Arten und Sorten gestalteten Garten – wie schön. Viele Menschen sind aber eher unzufrieden mit ihrem Garten, weil sie eben nicht die tollen Gartenbilder der Hochglanzzeitschriften erreichen oder das Gartenbild, dem sie meinen, genügen zu müssen, erhalten können.Das naturnahe Gartenkonzept, das oft aus informiertem Nichtstun besteht, wirkt da entlastend und attraktiv. Die Naturbeobachtungen, die Wildpflanzen mit ihren zarteren Blüten, Biotopelemente und Funktionsflächen, die Lebensräume möglich machen, können ebenso glücklich machen wie ein intensiv gepflegter Blumengarten. Gärten, die in besonderem Maße die biologische Vielfalt fördern sollen, sind damit ein neues Gartenkonzept und so eine Bereicherung der Gartenkultur.Allerdings ist der Gartenbau auch einer der Haupteintragswege invasiver Neophyten, also von Arten, die die biologische Vielfalt schädigen. Der Naturgarten plädiert deshalb für den Verzicht auf invasive Neophyten in allen Gärten, insbesondere aber am Siedlungsrand.
4. ,,Naturgärten werden nicht gut gestaltet und sind ästhetisch unbefriedigend.“ Einheimische Wildpflanzen sind (leider) unbekannte Pflanzen. Und oft werden unbekannte Pflanzen als Unkraut angesehen. Aus diesem Grunde ist eine gute Gestaltung bei biodiversitätsfördernden Gärten, vor allem, wenn sie eine Außenwirkung haben sollen, besonders wichtig. Die gute Gestaltung ist quasi das Ausrufezeichen hinter dem noch für viele ungewohnten Gartenkonzept. Das betrifft Geländemodellierung und Bauwerke, wie Mauern, Wege und Plätze, genauso wie die Pflanzplanung.
5. ,,Einheimische Pflanzen haben keine auffallenden und schönen Blüten.“ Ob wir die zarten Blüten der einheimischen Wildrosen schön finden oder die großen schweren Blütenköpfe der Zentifolien, ist eine Frage des Geschmackes und damit veränderbar. Mit dem Wissen, dass gefüllte Blüten meistens weniger oder keinen Nektar und Pollen produzieren, dass Sorten einheimischer Wildpflanzen genetisch verarmt sind und dass exotische Pflanzen weniger Tieren als Nahrung dienen, verlieren Naturgärtner*innen die Freude an dem Angebot der Gartencenter und konventioneller Pflanzenproduzenten. Die Nutzer biodiversitätsfördernder Gärten sind Connaisseure der Natur, was die Blüten einschließt, aber auch weit darüber hinausgeht.
6. ,,Es gibt nur wenig spät blühende einheimische Pflanzen.“ Unsere Fauna hat ihren Blühhöhepunkt im Frühsommer. Wer in der Literatur oder im Internet (z.B. in der Datenbank „Bioflor“) die Blütezeiten einheimischer Wildstauden recherchiert, wird erstaunt sein, wie viele Wildstauden noch im Sommer und Hochsommer blühen. Dies liegt daran, dass sie in der Landschaft entweder durch Weidetiere abgefressen (wie es in Europa seit Jahrmillionen der Fall ist) oder durch die Wiesenmahd (gibt es seit ca. 200 Jahren in größerem Maße) zu einer Zweitblüte oder einer späteren Blüte gebracht werden. Dies kann im Garten durch den so genannten Remontierschnitt imitiert bzw. erreicht werden. Es gibt auch einige spätblühende Gehölze, wie z.B. Efeu (Hedera helix), Besenheide (Calluna vulgaris) oder Färberginster (Genista tinctoria). Diese Arten werden dann oft von außergewöhnlich spät fliegenden Wild bienenarten besucht, die speziell an diese Gehölze angepasst sind. Gestalterisch setzt im Hochsommer der Fruchtschmuck der Wildgehölze mit seinen bei den mitteleuropäischen Blüten seltenen gelbroten Farbtönen ein, was sehr gut mit gelb blühenden Stauden kombiniert werden kann.
7. ,,Früh und spät blühende exotische Pflanzen füllen die Trachtlücke der einheimischen Flora.“ „Trachtlücke“ ist ein Begriff aus der Imkerei. Die mitteleuropäischen Blütenbesucher sind an unsere Flora angepasst, auch an den Blühhöhepunkt im Frühsommer. Die selten gewordenen Arten der mageren Wiesen und Weiden, die ja oft noch spät im Jahr blühen, sollten in biodiversitätsfördernden Gärten vermehrt verwendet werden, da sie in der Landschaft einen besonders starken Rückgang erleben. Sie können nicht vollwertig durch spät blühende exotische Arten ersetzt werden, da deren Nutzung durch die zumeist spezialisierten herbivoren Insekten geringer ist.
8.,,Gerade Gärten mit einem großen Anteil an Exoten weisen eine hohe Biodiversität auf, wie z.B. der Garten von Great Dixter.“ Es gibt nur sehr wenige wissenschaftliche Untersuchungen, die sich dem Vergleich von Gärten widmen, in denen einheimische Wildpflanzen dominieren, und solchen, wo hauptsächlich exotische Pflanzen angepflanzt werden. Die größte Herausforderung solcher Untersuchungen besteht darin, dass Tiere immer auch von der Umgebung zufliegen und zuwandern. Je kleiner die untersuchte Fläche ist und je größer die Reichweite der verwendeten Fangmethode, desto mehr bildet das Ergebnis den Artenbestand der Umgebung und nicht die Eigenschaften der untersuchten Flächen ab. So wurden bei den immer wieder zitierten Untersuchungen in Veitshöchheim, wo 3 Sorten einheimischer Arten mit 3 Arten aus dem südosteuropäischen Raum verglichen wurden, unter anderem Gelbtafeln verwendet, die Insekten auch aus größeren Entfernungen anlocken. Bei den Untersuchungen der Royal Horicultural Society wurden einheimische Arten aus langjähriger Gärtnerischer Vermehrung (also de facto Kultivare) nicht standortgerecht (z.B. Pflanzen der Trockenstandorte gemeinsam mit denen der Feuchtstandorte in einem Beet) auf Flächen in der Größe 3 x 3 Meter aufgepflanzt. Erstaunlicherweise wurden trotz der viel Unschärfe produzierenden Versuchsbedingungen in diesen Untersuchungen die einheimischen Arten meist geringfügig stärker genutzt als die nicht einheimischen.Bei beiden Untersuchungen wird jedoch das geringe Maß des Unterschieds, das dem Versuchsdesign geschuldet ist, zur Vermarktung exotischer Arten genutzt. Bei dieser Vermarktung wird dann oft nicht mehr zwischen europäischen Arten, wo bis zu einem gewissen Grad mit Koevolution mit unserer Tierwelt zu rechnen ist, und Arten aus anderen Kontinenten, wo keine Koevolution möglich war, unterschieden.
9. ,,Wir brauchen Exoten, weil nur Exoten der Klimakrise standhalten können.,, Obwohl diese Aussage intuitiv richtig erscheint (,,neues Klima – neue Arten“), kann sie zurzeit nicht belegt werden, da zu Beginn der Klimakrise noch keine Versuche zum Thema durchgeführt wurden. In die derzeit laufenden Versuche werden nur wenige einheimische Arten mit aufgenommen. Als Argument wird aufgeführt, dass entweder bekannt sei, dass die Arten gut mit trockenheißen Standorten zurecht kommen (wie beim Feldahorn) oder dass die Arten in den Baumschulen nicht angeboten werden (wie Sorbus Arten oder Flaumeiche).Ähnlich wie bei den vergleichenden Untersuchungen wird dann später aber die Versuchsbedingung (kaum einheimische Arten) als Ergebnis präsentiert. Wenn nur exotische Arten untersucht werden, dann erscheinen natürlich auch nur exotische Arten auf den Listen der besonders empfehlenswerten Gehölze. Generell kann gesagt werden, dass es auch jetzt schon trockenheiße Standorte in Mitteleuropa gibt und dass dort etliche Gehölze vorkommen, die an diese Bedingungen gut angepasst sind. Statt vermehrt exotische Arten aufzupflanzen – was ja immer auch die Gefahr beinhaltet, einen neuen invasiven Neophyten einzuführen – sollte das Baumschulsortiment um die einheimischen Arten erweitert werden, die an trocken heiße Standorte angepasst sind.
10. ,,Dass sich invasive Arten ausbreiten, ist die Antwort der Natur auf die Klimakrise oder andere Störungen durch den Menschen und es hat positive Auswirkungen, z.B. weil die Arten als Bienenweide dienen. „ Die Tatsache, dass sich einheimische Pflanzenarten mit einheimischen Tierarten während einer hundert tausende und Millionen von Jahren dauernden Koevolution aneinander angepasst haben, hat dazu geführt, dass insbesondere die herbivoren Tierarten zu einem großen Anteil auf bestimmte Pflanzenarten oder-gattungen spezialisiert sind (80-90% der herbivoren Insektenarten sind spezialisiert). Diese „Konsumenten 1. Ordnung“ dienen wiederum oft spezialisierten Arten z.B. Pilzen, Parasiten oder Parasitoiden als Lebensgrundlage. Wenn Arten nun vom Menschen weit verfrachtet werden, kommen die Nutzer in der Regel nicht mit, exotische Arten verlieren 50-90% ihrer Parasiten. Dies ist der Grund für die erhöhte Fitness am neuen Ort und auch einer der Gründe, warum Arten invasiv werden können, also die Biodiversität schädigen. Nur die Arten, die nachweislich die Biodiversität schädigen, werden als „invasiv“ bezeichnet. Es ist also nicht so, dass eine vom Menschen geschädigte Natur sich selber heilt, sondern die invasiven Arten sind einer der Hauptgründe für die Biodiversitätskrise. Von Neobiota geprägte Ökosysteme werden als „novel ecosystems“ bezeichnet, das heißt aber nicht, dass sie erstrebenswert wären, denn sie zeichnen sich durch weite (artenarme) Nahrungsnetze aus, sind weniger resilient und bieten geringere Ökosystemdienstleistungen. Wenn Exoten und Neobiota von Tieren genutzt werden, dann werden sie in der Regel von nicht spezialisierten Arten wie Honigbienen oder Hummeln genutzt. Diese oft auffälligen Arten können aber nicht als Nachweis des ökologischen Wertes exotischer Pflanzenarten dienen. Die Attraktivität für Honigbienen hat sogar erst dazu geführt, dass einige Arten absichtlich in der Natur ausgebracht wurden und invasiv, also biodiversitätsschädigend, werden konnten.
11. ,,Invasive Neophyten abzulehnen, ist fremdenfeindlich und rassistisch.“ Dies immer wieder vorgebrachte Argument ist ein typisches „Totschlagargument“, bei dem sich der Argumentierende nicht mit Inhalten auseinandersetzt, sondern den Sendenden der abgelehnten Botschaft diffamiert. Exotische Pflanzen werden als „Pflanzen mit Migrationshintergrund“ vermenschlicht, um Rassismus zu konstruieren. So wie die Tatsache, dass Hitler Vegetarier war, nicht gegen eine vegetarische Ernährung spricht, spricht die Tatsache, dass die Pflanzensoziologie im Dritten Reich sich eines nationalsozialistischen Vokabulars bediente, nicht gegen den Versuch, die Schädigung der Biodiversität durch Neobiota zu minimieren. Bei der naturschutzfachlichen Bewertung von Exoten, Neobiota und invasiven Neobiota ist allein die Frage, ob sie die Biodiversität schädigen, relevant. Gärtner*innen, die die Biodiversität fördern möchten, werden solche Tatsachen in ihre Entscheidungen, welche Arten sie im Garten ansiedeln, einbeziehen. Es geht also nicht um die Begrifflichkeit heimisch/nicht heimisch, sondern um die biologischen Eigenschaften der Pflanze.
12. ,,Auch einheimische Pflanzen können negative Auswirkungen haben, z.B. das Jakobskreuzkraut.“ Einer der wichtigsten Gründe für die enge Beziehung zwischen einheimischen Pflanzen und den an sie angepassten Tierarten ist die Tatsache, dass Pflanzen giftige Inhaltsstoffe produzieren und in ihren Geweben einlagern. Damit wird die Anzahl der Tierarten, die sich von den Pflanzenteilen ernähren können, begrenzt. Einige Tierarten entwickelten gegen die spezifischen Inhaltsstoffe der jeweiligen Gattung dann Entgiftungssysteme und zeigen oft auch weitere Anpassungen an die Gattung oder Art, deren Inhaltsstoffe sie entgiften können. Die nicht vorhandenen Entgiftungssysteme sind damit auch einer der Hauptgründe, warum exotischen Pflanzenarten von der heimischen Tierwelt weniger genutzt werden als die einheimischen Pflanzen und warum manche Arten invasiv werden. Der energetische und evolutionäre Aufwand für Entgiftungssysteme ist aber auch der Grund dafür, dass viele Pflanzen nicht von allen Tieren, sondern nur von spezialisierten Tieren genutzt werden. Das gilt auch für das einheimische Jakobskreuzkraut, das Pyrrollizidinalkaloide einlagert, eine Strategie, die auch etliche andere Pflanzengruppen verfolgen (z.B. Huflattich, Braunwurzgewächse, manche Grasarten, wenn sie von Pilzen befallen werden). Solche Pflanzenarten schädigen nicht die biologische Vielfalt, sondern Nutztiere, die (evolutionär oder individuell) nicht gelernt haben, sie zu vermeiden, oder die sie nicht erkennen können, weil wir sie ihnen in „künstlicher“, nämlich getrockneter Form als Heu verfüttern, wodurch die evolutionär erworbenen Erkennungssysteme nicht funktionieren. Weil Pferde Jakobskreuzkraut in lebendem Zustand durchaus erkennen können und nicht fressen, führt schlechte Weidepflege in der Nähe von Pferdehaltungen dazu, dass es sich ausbreitet. Die Lösung des Problems liegt nicht in dem Versuch, manche einheimische Pflanzenarten zu bekämpfen, und damit vielen einheimischen Tieren die Nahrungsgrundlage zu entziehen, sondern die gefährdeten Nutztiere (oder uns) durch spezielle Maßnahmen zu schützen: Bekämpfung von im Heu giftigen Pflanzen nur auf Heuwiesen oder – bei naturschutzfachlich wertvollem Bestand auf den Wiesen – Verzicht auf Heugewinnung und Umwandlung in Weideflächen mit entsprechender Weidepflege, Verzicht auf das Aufstellen von Bienenständen in Gebieten mit Pflanzen, deren Inhaltstoffe im Honig für Menschen giftig sind.
Beispielhafte Veröffentlichungen, die sich gegen naturnahe (biodiversitätsfördernde) Gärten aussprechen: Wolfgang Borchardt: (K)ein Abschied vom Baum des Jahres 2020Jörg Pfenningschmidt, Kraut und Rüben 2/2021Ute Rieper: Es ist gut, also ist es schön, Gartenpraxis 11/2020 Kolumnen von Folko Kullmann in Gartenpraxis, 2/2019; 10/2019; 9/2020; 1/2021
Weitere zitierte Untersuchungen: Zukunftsbäume Veitshöcheim: Susanne Böll, Rosa Albrecht und Dieter Mahsberg (2019): Stadtklimabäume – geeignete Habitate für die urbane Insektenvielfalt? LWG aktuell, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim
Great Dixter:Andy Phillips: Great Dixter Biodiversity Audit 2017-2019, ohne Verlag abgerufen von https://www.greatdixter.co.uk/house-and-estate/biodiversity/biodiversity-audit/Andy Phillips: Great Dixter Invertebrate Suvey 2016/2017 und Update 2018, ohne Verlag, a.a.O Claire Williamson: Great Dixter Estate Biodiversity Audit 2018 Butterfly Audit, ohne Verlag, a.a.O
Die Untersuchungen der Royal Horticulturas Society: Aufderheide, Ulrike: Der Versuch der royal Horticultural Society zeigt: Wer „Tiere pflanzen“ möchte, verwendet am besten einheimische Pflanzen – kommuniziert wird leider etwas anderes, Natur und Garten 4, 2017, 34-37Salisbury, A., Armitage, J., Bostock, H., Perry, J., Tatchell, M. & Thompson, K. (2015) Enhancing gardens as habitats for flower-visiting aerial insects (pollinators): should we plant native or exotic species? Journal of Applied Ecology 2015, 52, 1156-1164
Die naturnahe Gestaltung von Grünflächen wird immer breiter diskutiert und auch in Gartenzeitschriften kommentiert, sie ist im sogenannten „mainstream“ angekommen. Zunehmend gibt es Beiträge von Autorinnen oder Autoren, die selber nicht in diesem Bereich arbeiten oder die naturnahe Gestaltung aus den verschiedensten Gründen ablehnen. In einem Positionspapier sollen die in den vergangenen Jahren immer wiederkehrenden Argumente gegen naturnahe Gärten, also Gärten, in denen (auch) die biologische Vielfalt gefördert werden soll, aufgeführt und kommentiert werden. Die angegebenen Belegstellen sind nur beispielhaft.
→ Argumentationspapier „Zwölf Vorurteile über naturnahe Gärten“
In einem Argumentationspapier gibt Ulrike Aufderheide Antworten auf die zwölf häufigsten Vorurteile, die naturnahen Gärten entgegengebracht werden:
Das Verhältnis von Kultur und Natur kann auf verschiedene Weise beschrieben und erlebt werden. Natur wird einmal als Gegensatz zu dem vom Menschen gestalteten Raum und damit als „bedroht“, dann als Gegenüber und „bedrohlich“ oder als etwas, das der Verbesserung durch die Kultur des Menschen bedarf, also als „bedürftig“ wahrgenommen. Wir können uns selbst aber auch als Teil der Natur auffassen und anerkennen, dass wir längst in Zeiten des Anthropozäns angekommen sind, dass wir also die Natur nicht rückholbar verändert haben. Bei Naturgärtner*innen führt diese Erkenntnis aber nicht dazu, die Hände in den Schoß zu legen und den Dingen ihren (schrecklichen) Lauf zu lassen. Sie tun vielmehr das, was alle Gärtner*innen immer schon getan haben, sie leisten sich das Besondere, das was es außerhalb des Gartenzauns nicht gibt. Für Naturgärtner*innen sind dies einheimische Tiere und Pflanzen. Sie geben ihrem Garten einen zusätzlichen Zweck: die Förderung der biologischen Vielfalt. Wenn ein Garten aber die biologische Vielfalt fördern soll, dann ist die Frage, wie er gestaltet wird, keine Frage der Begrifflichkeit, sondern ein Lernprozess, der immer wieder die Ergebnisse der Naturwissenschaft in die Gartengestaltung einbezieht:
* Mit welchen Pflanzen kann ich die biologische Vielfalt am besten fördern? Mit einheimischen Wild pflanzen, da nur sie sich mit unserer Tierwelt in Koevolution entwickelt haben.
* Wie sollte ich am besten Bauwerke im Garten erstellen? Versickerungsoffen und begrünt, weil so das Regenwasser versickern kann und seltene magere Lebensräume entstehen (Paradebeispiel ist hier der ,,Blumenschotterrasen“).
* Wie sollte ich meinen Garten pflegen? So, dass ich die biologische Vielfalt fördere, statt sie zu schädigen.
Meist imitiert eine biodiversitätsfördernde Anlage und vor allem die biodiversitätsfördernde Pflege die Störfaktoren der besonders artenreichen halboffenen Landschaften. Das ist der Landschaftstyp, in dem unsere Biodiversität in den letzten 2 Millionen Jahren entstanden ist: Störungen durch Beweidung, Überschwemmungen, Waldbrände, Hangrutschungen schufen immer wieder neue Lebensräume für die Arten, die heute als „Kulturfolger“ oft geringer geachtet werden als die Arten der so genannten „Klimaxgesellschaften“. Mit Klimaxgesellschaft wird der theoretisch postulierte Endpunkt der Sukzession vom blanken mineralischen Boden aus bezeichnet, der dann nicht mehr oder nur noch punktuell weiteren Entwicklungen unterliegt. In Mitteleuropa sind das meist Laubmischwälder. Dabei werden Einflüsse von großen Pflanzenfressern als „künstlich“ ausdrücklich nicht betrachtet – und in der realen Forstwirtschaft ja auch so weit wie möglich unterdrückt. Dabei ist es wahrscheinlich, dass das Konzept der Klimaxgesellschaft lediglich eine Beschreibung der schon stark vom Menschen veränderten Landschaft zu einer bestimmten Zeit ist, nämlich der Zeit der auf kommenden Wissenschaften. Biologen und besonders Agrar- und Forstwissenschaftler trafen in Mitteleuropa auf streng abgegrenzte Felder, Wiesen und Weiden ohne wilde Rinder und Pferde oder gar Altelefanten und Nashörner. Die Einflüsse der Nutztiere, die die ökologischen Planstellen der Großtiere teils ersetzen können, waren und sind auf die Flächen außerhalb der Wälder begrenzt. Der „natürliche“ Pflanzenfresserbestand wird dabei selbstreferenziell über das Vorhandensein von Naturvedüngung definiert. Naturverjüngung von Gehölzen ist aber auch in beweideten halboffenen Landschaften möglich, nur eben anders als in unbeweideten Wäldern. Eichen können sich zum Beispiel in dichten Wäldern nicht reproduzieren, wohl aber auf extensiven Weiden.
Das ist sicherlich richtig. Der NaturGarten e.V. möchte für einen Garten, der gleichzeitig die biologische Vielfalt fördert, werben und begeistern. Ein Garten ist dann gut und schön, wenn er uns glücklich macht. Begeisterte „klassische“ Gärtner*innen sind glücklich in ihrem mit erlesenen Arten und Sorten gestalteten Garten – wie schön. Viele Menschen sind aber eher unzufrieden mit ihrem Garten, weil sie eben nicht die tollen Gartenbilder der Hochglanzzeitschriften erreichen oder das Gartenbild, dem sie meinen, genügen zu müssen, erhalten können.Das naturnahe Gartenkonzept, das oft aus informiertem Nichtstun besteht, wirkt da entlastend und attraktiv. Die Naturbeobachtungen, die Wildpflanzen mit ihren zarteren Blüten, Biotopelemente und Funktionsflächen, die Lebensräume möglich machen, können ebenso glücklich machen wie ein intensiv gepflegter Blumengarten. Gärten, die in besonderem Maße die biologische Vielfalt fördern sollen, sind damit ein neues Gartenkonzept und so eine Bereicherung der Gartenkultur.Allerdings ist der Gartenbau auch einer der Haupteintragswege invasiver Neophyten, also von Arten, die die biologische Vielfalt schädigen. Der Naturgarten plädiert deshalb für den Verzicht auf invasive Neophyten in allen Gärten, insbesondere aber am Siedlungsrand.
Einheimische Wildpflanzen sind (leider) unbekannte Pflanzen. Und oft werden unbekannte Pflanzen als Unkraut angesehen. Aus diesem Grunde ist eine gute Gestaltung bei biodiversitätsfördernden Gärten, vor allem, wenn sie eine Außenwirkung haben sollen, besonders wichtig. Die gute Gestaltung ist quasi das Ausrufezeichen hinter dem noch für viele ungewohnten Gartenkonzept. Das betrifft Geländemodellierung und Bauwerke, wie Mauern, Wege und Plätze, genauso wie die Pflanzplanung.
Ob wir die zarten Blüten der einheimischen Wildrosen schön finden oder die großen schweren Blütenköpfe der Zentifolien, ist eine Frage des Geschmackes und damit veränderbar. Mit dem Wissen, dass gefüllte Blüten meistens weniger oder keinen Nektar und Pollen produzieren, dass Sorten einheimischer Wildpflanzen genetisch verarmt sind und dass exotische Pflanzen weniger Tieren als Nahrung dienen, verlieren Naturgärtner*innen die Freude an dem Angebot der Gartencenter und konventioneller Pflanzenproduzenten. Die Nutzer biodiversitätsfördernder Gärten sind Connaisseure der Natur, was die Blüten einschließt, aber auch weit darüber hinausgeht.
Unsere Fauna hat ihren Blühhöhepunkt im Frühsommer. Wer in der Literatur oder im Internet (z.B. in der Datenbank „Bioflor“) die Blütezeiten einheimischer Wildstauden recherchiert, wird erstaunt sein, wie viele Wildstauden noch im Sommer und Hochsommer blühen. Dies liegt daran, dass sie in der Landschaft entweder durch Weidetiere abgefressen (wie es in Europa seit Jahrmillionen der Fall ist) oder durch die Wiesenmahd (gibt es seit ca. 200 Jahren in größerem Maße) zu einer Zweitblüte oder einer späteren Blüte gebracht werden. Dies kann im Garten durch den so genannten Remontierschnitt imitiert bzw. erreicht werden. Es gibt auch einige spätblühende Gehölze, wie z.B. Efeu (Hedera helix), Besenheide (Calluna vulgaris) oder Färberginster (Genista tinctoria). Diese Arten werden dann oft von außergewöhnlich spät fliegenden Wild bienenarten besucht, die speziell an diese Gehölze angepasst sind. Gestalterisch setzt im Hochsommer der Fruchtschmuck der Wildgehölze mit seinen bei den mitteleuropäischen Blüten seltenen gelbroten Farbtönen ein, was sehr gut mit gelb blühenden Stauden kombiniert werden kann.
„Trachtlücke“ ist ein Begriff aus der Imkerei. Die mitteleuropäischen Blütenbesucher sind an unsere Flora angepasst, auch an den Blühhöhepunkt im Frühsommer. Die selten gewordenen Arten der mageren Wiesen und Weiden, die ja oft noch spät im Jahr blühen, sollten in biodiversitätsfördernden Gärten vermehrt verwendet werden, da sie in der Landschaft einen besonders starken Rückgang erleben. Sie können nicht vollwertig durch spät blühende exotische Arten ersetzt werden, da deren Nutzung durch die zumeist spezialisierten herbivoren Insekten geringer ist.
Es gibt nur sehr wenige wissenschaftliche Untersuchungen, die sich dem Vergleich von Gärten widmen, in denen einheimische Wildpflanzen dominieren, und solchen, wo hauptsächlich exotische Pflanzen angepflanzt werden. Die größte Herausforderung solcher Untersuchungen besteht darin, dass Tiere immer auch von der Umgebung zufliegen und zuwandern. Je kleiner die untersuchte Fläche ist und je größer die Reichweite der verwendeten Fangmethode, desto mehr bildet das Ergebnis den Artenbestand der Umgebung und nicht die Eigenschaften der untersuchten Flächen ab. So wurden bei den immer wieder zitierten Untersuchungen in Veitshöchheim, wo 3 Sorten einheimischer Arten mit 3 Arten aus dem südosteuropäischen Raum verglichen wurden, unter anderem Gelbtafeln verwendet, die Insekten auch aus größeren Entfernungen anlocken. Bei den Untersuchungen der Royal Horicultural Society wurden einheimische Arten aus langjähriger Gärtnerischer Vermehrung (also de facto Kultivare) nicht standortgerecht (z.B. Pflanzen der Trockenstandorte gemeinsam mit denen der Feuchtstandorte in einem Beet) auf Flächen in der Größe 3 x 3 Meter aufgepflanzt.
Erstaunlicherweise wurden trotz der viel Unschärfe produzierenden Versuchsbedingungen in diesen Untersuchungen die einheimischen Arten meist geringfügig stärker genutzt als die nicht einheimischen.Bei beiden Untersuchungen wird jedoch das geringe Maß des Unterschieds, das dem Versuchsdesign geschuldet ist, zur Vermarktung exotischer Arten genutzt. Bei dieser Vermarktung wird dann oft nicht mehr zwischen europäischen Arten, wo bis zu einem gewissen Grad mit Koevolution mit unserer Tierwelt zu rechnen ist, und Arten aus anderen Kontinenten, wo keine Koevolution möglich war, unterschieden.
Obwohl diese Aussage intuitiv richtig erscheint (,,neues Klima – neue Arten“), kann sie zurzeit nicht belegt werden, da zu Beginn der Klimakrise noch keine Versuche zum Thema durchgeführt wurden. In die derzeit laufenden Versuche werden nur wenige einheimische Arten mit aufgenommen. Als Argument wird aufgeführt, dass entweder bekannt sei, dass die Arten gut mit trockenheißen Standorten zurecht kommen (wie beim Feldahorn) oder dass die Arten in den Baumschulen nicht angeboten werden (wie Sorbus Arten oder Flaumeiche).Ähnlich wie bei den vergleichenden Untersuchungen wird dann später aber die Versuchsbedingung (kaum einheimische Arten) als Ergebnis präsentiert. Wenn nur exotische Arten untersucht werden, dann erscheinen natürlich auch nur exotische Arten auf den Listen der besonders empfehlenswerten Gehölze. Generell kann gesagt werden, dass es auch jetzt schon trockenheiße Standorte in Mitteleuropa gibt und dass dort etliche Gehölze vorkommen, die an diese Bedingungen gut angepasst sind. Statt vermehrt exotische Arten aufzupflanzen – was ja immer auch die Gefahr beinhaltet, einen neuen invasiven Neophyten einzuführen – sollte das Baumschulsortiment um die einheimischen Arten erweitert werden, die an trocken heiße Standorte angepasst sind.
Die Tatsache, dass sich einheimische Pflanzenarten mit einheimischen Tierarten während einer hundert tausende und Millionen von Jahren dauernden Koevolution aneinander angepasst haben, hat dazu geführt, dass insbesondere die herbivoren Tierarten zu einem großen Anteil auf bestimmte Pflanzenarten oder-gattungen spezialisiert sind (80-90% der herbivoren Insektenarten sind spezialisiert). Diese „Konsumenten 1. Ordnung“ dienen wiederum oft spezialisierten Arten z.B. Pilzen, Parasiten oder Parasitoiden als Lebensgrundlage. Wenn Arten nun vom Menschen weit verfrachtet werden, kommen die Nutzer in der Regel nicht mit, exotische Arten verlieren 50-90% ihrer Parasiten. Dies ist der Grund für die erhöhte Fitness am neuen Ort und auch einer der Gründe, warum Arten invasiv werden können, also die Biodiversität schädigen. Nur die Arten, die nachweislich die Biodiversität schädigen, werden als „invasiv“ bezeichnet. Es ist also nicht so, dass eine vom Menschen geschädigte Natur sich selber heilt, sondern die invasiven Arten sind einer der Hauptgründe für die Biodiversitätskrise. Von Neobiota geprägte Ökosysteme werden als „novel ecosystems“ bezeichnet, das heißt aber nicht, dass sie erstrebenswert wären, denn sie zeichnen sich durch weite (artenarme) Nahrungsnetze aus, sind weniger resilient und bieten geringere Ökosystemdienstleistungen. Wenn Exoten und Neobiota von Tieren genutzt werden, dann werden sie in der Regel von nicht spezialisierten Arten wie Honigbienen oder Hummeln genutzt. Diese oft auffälligen Arten können aber nicht als Nachweis des ökologischen Wertes exotischer Pflanzenarten dienen. Die Attraktivität für Honigbienen hat sogar erst dazu geführt, dass einige Arten absichtlich in der Natur ausgebracht wurden und invasiv, also
biodiversitätsschädigend, werden konnten.
Dies immer wieder vorgebrachte Argument ist ein typisches „Totschlagargument“, bei dem sich der Argumentierende nicht mit Inhalten auseinandersetzt, sondern den Sendenden der abgelehnten Botschaft diffamiert. Exotische Pflanzen werden als „Pflanzen mit Migrationshintergrund“ vermenschlicht, um Rassismus zu konstruieren. So wie die Tatsache, dass Hitler Vegetarier war, nicht gegen eine vegetarische Ernährung spricht, spricht die Tatsache, dass die Pflanzensoziologie im Dritten Reich sich eines nationalsozialistischen Vokabulars bediente, nicht gegen den Versuch, die Schädigung der Biodiversität durch Neobiota zu minimieren. Bei der naturschutzfachlichen Bewertung von Exoten, Neobiota und invasiven Neobiota ist allein die Frage, ob sie die Biodiversität schädigen, relevant. Gärtner*innen, die die Biodiversität fördern möchten, werden solche Tatsachen in ihre Entscheidungen, welche Arten sie im Garten ansiedeln, einbeziehen. Es geht also nicht um die Begrifflichkeit heimisch/nicht heimisch, sondern um die biologischen Eigenschaften der Pflanze.
Einer der wichtigsten Gründe für die enge Beziehung zwischen einheimischen Pflanzen und den an sie angepassten Tierarten ist die Tatsache, dass Pflanzen giftige Inhaltsstoffe produzieren und in ihren Geweben einlagern. Damit wird die Anzahl der Tierarten, die sich von den Pflanzenteilen ernähren können, begrenzt. Einige Tierarten entwickelten gegen die spezifischen Inhaltsstoffe der jeweiligen Gattung dann Entgiftungssysteme und zeigen oft auch weitere Anpassungen an die Gattung oder Art, deren Inhaltsstoffe sie entgiften können. Die nicht vorhandenen Entgiftungssysteme sind damit auch einer der Hauptgründe, warum exotischen Pflanzenarten von der heimischen Tierwelt weniger genutzt werden als die einheimischen Pflanzen und warum manche Arten invasiv werden. Der energetische und evolutionäre Aufwand für Entgiftungssysteme ist aber auch der Grund dafür, dass viele Pflanzen nicht von allen Tieren, sondern nur von spezialisierten Tieren genutzt werden. Das gilt auch für das einheimische Jakobskreuzkraut, das Pyrrollizidinalkaloide einlagert, eine Strategie, die auch etliche andere Pflanzengruppen verfolgen (z.B. Huflattich, Braunwurzgewächse, manche Grasarten, wenn sie von Pilzen befallen werden). Solche Pflanzenarten schädigen nicht die biologische Vielfalt, sondern Nutztiere, die (evolutionär oder individuell) nicht gelernt haben, sie zu vermeiden, oder die sie nicht erkennen können, weil wir sie ihnen in „künstlicher“, nämlich getrockneter Form als Heu verfüttern, wodurch die evolutionär erworbenen Erkennungssysteme nicht funktionieren. Weil Pferde Jakobskreuzkraut in lebendem Zustand durchaus erkennen können und nicht fressen, führt schlechte Weidepflege in der Nähe von Pferdehaltungen dazu, dass es sich ausbreitet. Die Lösung des Problems liegt nicht in dem Versuch, manche einheimische Pflanzenarten zu bekämpfen, und damit vielen einheimischen Tieren die Nahrungsgrundlage zu entziehen, sondern die gefährdeten Nutztiere (oder uns) durch spezielle Maßnahmen zu schützen: Bekämpfung von im Heu giftigen Pflanzen nur auf Heuwiesen oder – bei naturschutzfachlich wertvollem Bestand auf den Wiesen – Verzicht auf Heugewinnung und Umwandlung in Weideflächen mit entsprechender Weidepflege, Verzicht auf das Aufstellen von Bienenständen in Gebieten mit Pflanzen, deren Inhaltstoffe im Honig für Menschen giftig sind.
→ Argumentationspapier „Zwölf Vorurteile über naturnahe Gärten“