Schotter? Aber artenvielfältig!

-wie ein Auto-Stellplatz zum Blumen-Schotterrasen wird-

Wir haben es geschafft und unsere Entscheidung nicht bereut, dauerhaft auf ein Zweitauto zu verzichten. Das ist eine Herausforderung auf dem Land. Aber was machen wir mit dem Autostellplatz neben dem Haus? Der Stellplatz ist Durchgang zu den Mülltonnen, zum Fahrradschuppen und zum Garten, außerdem liegt er auf der schattigen Nordseite am Haus. Auch sollen weiterhin Besucherfahrzeuge dort parken dürfen.

Die Frage blieb lange unbeantwortet, bis wir über die LiNis im NaturGarten e.V. auf einen Schotterrasen aufmerksam wurden. Ein Schotterrasen ist ein sehr magerer Boden, der mit Wildpflanzen bewachsen ist.

Dass die meisten Wildblumen mageren Boden lieben, wussten wir bereits von unserem Anwohnerprojekt „Am Hasenacker summt´s“. Aber der Stellplatz war wirklich nur Schotter und oben drauf eine wassergebundene Wegedecke. Schaffen die Wildblumen das auch dort? Vertragen die auch unsere regelmäßigen Tritte und Mülltonnenbewegungen über die Fläche? Kann zur Not auch noch ein Auto dort parken? Ein Versuch war´s wert. Denn ehrlich gesagt, hatten wir keine Lust mehr auf einen zeit- arbeitsaufwendigen Bodenaustausch oder sonstige Erdbewegungen. Es sollte einfach und schnell gehen und wir wollten selbstverständlich eine naturnahe Lösung.

Wie immer bei solchen Vorhaben helfen Informationen von Fachleuten. Ein Telefonat mit einem zertifizierten Wildsaatguthersteller brachte uns schnell zur richtigen Saatgutauswahl. Denn die ist entscheidend für das Gelingen. Entschieden haben wir uns für eine 100% heimische Wildblumenmischung für Mager – und Sandrasen von Rieger-Hofmann.

Im frühen Frühjahr wurde die Harke dann aus dem Schuppen geholt, ein bisschen samenfreier Kompost dazu und der Gartenschlauch bereitgelegt.

Zunächst wurde die wassergebundene Wegedecke, also die Deckschicht des Stellplatzes, mit der Harke aufgelockert und anschließend begradigt. Der samenfreie Kompost kam in ca. 1 cm Dicke oben drauf und wurde anschließend mit der Harke in die aufgelockerte Wegedecke eingearbeitet.

Damit man die Wildblumensamen gut verteilen konnte, wurden sie mit Sand verlängert und dann über die Fläche gleichmäßig verteilt, für den Bodenschluss gut angedrückt und anschließend vorsichtig mit weicher und feiner Wasserbrause gewässert. Für die ersten Tage nach der Einsaat wurde die Fläche mit Flatterband gesperrt, sah ja immer noch nach Stellplatz aus. Fertig war die Aktion nach 2 Stunden. Passt!

Im Jahr 2022 war es extrem trocken und heiß, deshalb haben wir die Fläche noch regelmäßig gegossen. Auch Wildblumen benötigen zum Keimen Feuchtigkeit. Nach dem Keimen haben wir die Fläche sich selbst überlassen. Kein Gießen, kein Kümmern. Praktisch und pflegeleicht. Die einzige Aktion, die wir jährlich durchführen, ist das Abräumen der Blätter, die sich im Herbst dorthin verirren. Der Boden soll schön mager und die Vielfalt der Wildblumen erhalten bleiben.

Nach 3 Monaten -die Zeit soll man Wildblumen mindestens geben- zeigten sich die ersten einjährigen Wildblumen, wie Klatschmohn und Kornblume und erste kleine Rosetten der 2-jährigen Wildblumen. Ein halbes Jahr nach Einsaat waren die Rosetten deutlich zu erkennen, auch wo wir das Saatgut nicht gut verteilt hatten. Aber die Wildblumen regeln das selber am besten.

Erstaunt hat uns wieder mal der Natterkopf. Die Rosette hatte einen Durchmesser von 60 cm! Wir waren gespannt auf die Blüte im nächsten Jahr.

Und sie hat ihr Bestes gegeben. Aus der grünen Rosette wurde ein majestätischer Natterkopf. Der Schotterrasen im zweiten Sommer ist eine wahre Pracht mit seiner Artenvielfalt geworden. Viele heimische Insekten und spezialisierte Wildbienen, wie die Natterkopfbiene, haben wir entdeckt. Und wo Insekten sind, da sind Vögel. Tiere pflanzen ist so einfach!

Ab und zu könnte auch ein Auto auf dieser Fläche parken, aber bisher hat sich noch kein Besucher getraut auf den Schotterrasen zu fahren. Seine Majestät der Natterkopf erhält Respekt 😉

Seit Herbst hängt ein Schild am Zaun. Nur für den Fall, dass sich jemand fragen sollte, was das Besondere an dieser Fläche ist.

(Text und Bilder: Jutta)