Klimabäume und Biologische Vielfalt

Stellungnahme zu Listen von Klimabäumen im Siedlungsbereich

Autorschaft: AK Politik, Ulrike Aufderheide, Michael Felstau, Heinke Marxen-Drewes, Karsten Mody und Christoph Peters unter Mitwirkung von Sabine Baxmann, Anja Ernst, Iris Fuhrmann, Heike Günther, Carola Hoppen, Andreas Knaack, Susanne Martin, Barbara Stark und Bernd Vetterick

Der Verein für naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung – NaturGarten e.V. setzt sich seit über dreißig Jahren für die Förderung der Biodiversität, insbesondere auch im Siedlungsraum ein. Der Schwund der Artenvielfalt hat sich in den letzten Jahrzehnten neben der Klimakrise als ein zentrales – aber oft übersehenes – Problem herauskristallisiert.

Bäume sind sehr langlebig und entwickeln ihre volle Funktionstüchtigkeit erst ab einem gewissen Alter. Deshalb sollte die Auswahl der richtigen Baumart sehr sorgsam getroffen werden. Um dem Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken, ist es wichtig, gerade auch bei Baumpflanzungen im besiedelten Raum Arten zu pflanzen, die nicht nur eine gute Anpassungsfähigkeit in der Klima­krise, sondern auch ein hohes Lebensraum- und Nahrungsangebot für Tiere bieten.

Die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK e.V.) hat in Zusammenarbeit mit dem Bund deutscher Baumschulen (BdB) eine Auswahl an Bäumen getroffen und nach bis jetzt 4-jährigen Tests vor Ort eine Liste geeigneter Bäume für den besiedelten Raum1 herausgegeben. Bewertet wurden dabei die Merkmale „Zuwachs“, „Trockenheitsverträglichkeit“, „Frosthärte“ und „Krankheits­befall“ sowie als Beitrag zur Biodiversitätsförderung die Eignung als „Bienenweide“ – ein Merk­mal, das zwar den Nutzen für das Nutztier Honigbiene berücksichtigt, nicht jedoch die Einbin­dung des Baumes in natürliche Nahrungsnetze. Auch die Bewertung der Zukunftsbäume „Neue Bäume braucht das Land“ durch die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim2 bildet die Förderung der Biologischen Vielfalt nicht ab, sondern betrachtet ledig­lich die Eignung als Bienenweide.

Der NaturGarten e.V. hat deshalb diese beiden Listen mit den Einträgen in der Datenbank „bladmineerders.nl“3, die den derzeitigen Forschungsstand zur Nutzung von Pflanzenarten durch herbivore und parasitische Organismen darstellt, und zusätzlich mit dem Schweizer Biodiversi­tätsindex für Stadtbäume4 verglichen.

Aus unseren Auswertungen lassen sich zusammengefasst die folgenden Ergebnisse ableiten:

  • Die Auswertung der Bladmineerders-Datenbank zeigt eine weite Spanne eines „Biodiversitäts­scores“ (= Anzahl nutzender Arten, die Forschende auf den Bäumen gefunden haben) zwischen 2 und 570 Arten. Dieser (einfache) Biodiversitätscore hängt eindeutig zusammen mit der geographischen Herkunft der Bäume: Die für die Natur wertvollsten Bäume (> 60 Arten) sind weit überwiegend heimisch, im mittleren Bereich (Artenzahl ca. 20-60) finden sich neben heimischen auch oft Bäume aus dem europäischen Ausland und die Bäume mit geringem Nutzen für die Natur (< 25 Arten) sind weit überwiegend exotisch oder Hybride.
  • Die Auswahl der Klimabäume nach GALK e.V. weist keinen Zusammenhang mit dem Biodiversi­tätsscore auf, was wir als bedeutendes Defizit ansehen: Die GALK-Liste sollte unter Hinzu­nahme eines aussagekräftigen Kriteriums für Biodiversität weiterentwickelt werden.
  • Der Schweizer BI-2-Index sowie die Zählung der fruchtfressenden Vögel nach Turcek weisen dagegen einen [schwachen, aber] sichtbaren Zusammenhang mit dem Biodiversitätsscore auf (Korrelationskoeffzient r = 0,45 bzw. 0,50 bzw. 0,44).

Derzeit werden hauptsächlich von den Baumschulen vorrätig gehaltene gärtnerisch vermehrten Sorten, also Klone eines Genotyps der jeweiligen Art empfohlen. Wie sich die Selektion der Sorte einer Baumart auf die Besiedelung mit Tier- und Pilzarten auswirkt, ist im Wesentlichen unbekannt. Da sich Sorten meist nicht eigenständig vermehren können, besteht die Problematik, dass ein einheitliches genetisches Erbgut in den Baumschulen erzeugt und weiterverkauft wird. Eine genetische Variabilität und damit Anpassungsmöglichkeit an sich verändernde Klimabedin­gungen wird dadurch unterbunden, außerdem ist ja unsere Tierwelt genau an die genetische Variabilität der Arten wie unterschiedliche Austriebs- und Blühzeitpunkte angepasst. Es werden von der GALK 105 Sorten verschiedenster Baumarten empfohlen. Diese Sorten werden in der angehängten Tabelle mit 159 Bäumen nicht aufgeführt, wohl aber die zugehörige Art.

Ein Großteil der bislang empfohlenen Baumarten stammt nicht aus Mitteleuropa. Es hat also keine Koevolution der Bäume mit der in Mitteleuropa heimischen Fauna stattgefunden. Auch wenn bei „bladmineerders“ eine Untererfassung der Tierwelt bei exotischen Arten nicht ausgeschlossen werden kann, so ist doch zu erkennen, dass bei einheimischen Baumarten eine Vielzahl von pflanzennutzenden Arten gefunden wurde. Die als Nachweis von Gleichwertigkeit exotischer Arten oft zitierte Untersuchung von Böll et al. 20195 weist erhebliche methodische Schwächen auf, die wir im Literaturnachweis kurz darstellen.

Ungeachtet vorhandener Invasivitätseinstufungen werden in der Liste der GALK auch fünf Baumarten, die als invasiv (also per definitionem schädigend für die Biodiversität) und drei Baumarten, die als potentiell invasiv gelten, als Klimabäume empfohlen.

Folgende Maßnahmen sind aus Sicht des NaturGarten e.V. erforderlich:

1.  Verwendung heimischer Baumarten zur Förderung der heimischen Fauna, wo immer möglich.

2.  Ergänzung der Klimabaumlisten um alle geeigneten einheimischen Baumarten.

3.  Einheimische Arten Deutschlands und Mitteleuropas, die auf Grund ihres natürlichen Stand­ortes vielversprechend sind, sollten in die Untersuchungen zu Klimabäumen mit einbezogen werden, auch wenn sie noch nicht von Baumschulen angeboten werden.

4.  Wo möglich, sollten Baumarten mit genetischer Variabilität und nicht genetisch verengte Sorten verwendet werden.

5.  Erhalt vor Neupflanzung: Die Ökosystemleistung eines Altbaumes ist durch Neupflanzung nicht zu ersetzen. Insbesondere sind uralte Bäume unersetzliche Relikte und Schätze, denn hier überleben oft noch Nutzer-Arten, die in der Umgebung ausgestorben sind.

6.  Selbstaussaat und Saat von Bäumen aus Parks nutzen: Pflanzen aus Aussaat bilden wesentlich resilientere Wurzelsysteme aus und durch die genetische Variabilität der Spontanvegetation können natürliche Selektionsprozesse zur Klimaanpassung ablaufen.

7.  Umsetzung ausreichend großer wasserdurchlässiger Baumscheiben, z. B. durch Einsatz von Rasengittersteinen auf Parkplätzen.

8.  Keine Verwendung invasiver Arten bzw. deren Sorten, es sei denn, eine Vermehrung über Samen oder Ausläufer ist ausgeschlossen.


Die erwähnten Tabellen und Abbildungen, die die Erkenntnisse eindrücklich wiedergeben, werden mit der vollständigen Ausarbeitung veröffentlicht.

Literatur- und Quellenangaben

1: Bund deutscher Baumschulen e.V.; Gartenamtsleiterkonferenz e.V. (Hrsg.) o.J.: Zukunftsbäume für die Stadt – Auswahl aus der Galk-Straßenbaumliste, www.strassenbaumliste.galk.de, https://www.gruen-ist-leben.de/themen-produkte/gruene-staedte-fuer-ein-nachhaltiges-europa/ zukunftsbaeume/

2: Phillipp Schönfeld (2019): „Klimabäume“ – welche Arten können in Zukunft gepflanzt werden? LWG aktuell 2019, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim

3: W.N. Ellis 2001-2023: Plant parasites of Europe: leaf miners, galls and fungi, https://bladmineerders.nl

4: Gloor S., Taucher, A., Rauchenstein, K. (2021): Biodiversitätsindex 2021 für Stadtbäume im Klimawandel, SWILD Zürich, Grün Stadt Zürich.

5: Böll, S., Mahsberg, D., Albrecht, R. et al. (2019): Urbane Artenvielfalt fördern – Arthropodenvielfalt auf heimischen und gebietsfremden Stadtbäumen. – Naturschutz und Landschafts­planung 51: 576–583

Anmerkungen zu der unter Ziff. 5 genannten Veröffentlichung von Böll…

Diese Arbeit wird oft als Nachweis der Gleichwertigkeit von einheimischen und exotischen Arten zitiert, hat aber auch unserer Sicht methodische Schwächen, die hier nur angedeutet werden können:

Es wurden nur wenige (5) sehr junge Bäume untersucht, die auch vom ökologischen Wert her nicht mit älteren Bäumen vergleichbar sind.

Es wurden Sorten einheimischer Arten mit verwandten Arten verglichen, die in direkt benach­barten Gebieten vorkommen. Dabei wurden bei den einheimischen Arten Sorten verwendet, während es sich bei zwei der drei nicht heimischen Taxa um echte Arten handelte.

Bei einigen Insektengruppen, z.B. Zikaden oder Wildbienen, handelt es sich um Tiergruppen, die die Bäume kaum als Nahrungshabitat nutzen, sondern bei denen es sich eher um Einflüge aus der Umgebung, z.B. aus dem kräuterreichen Bewuchs der Baumscheiben, handeln dürfte.

Bei den Sorten einheimischer Arten wurden jeweils mehr Arthropodenindividuen gefunden als bei den südeuropäischen Arten. Dass die Unterschiede im Arthropodenbestand insgesamt gering ausfielen, kann dem Versuchsdesign genauso geschuldet sein wie einer Gleichwertigkeit der südeuropäischen Schwesterarten.

Diese Arbeit kann daher auf keinen Fall als Nachweis der ökologischen Gleichwertigkeit beliebiger exotischer Arten herangezogen werden.

Mehr zum Thema: https://naturgarten.org/wissen/2023/03/02/klimabaeume/

Foto: Karsten Mody Larven von Euura pavida (eine Weidenblattwespe) an Salweide.