Ein Kleingarten als Naturgarten? Darf man das?

Ein Beitrag von Martina van Wesel

Sind Naturgärten nicht unordentlich und ungepflegt? Zugegeben: Bei mir im Garten kann man kein Golf spielen, auch kein Fußball, wobei das eher mit der Hanglage zu tun hat … aber Hindernis-Boccia geht … oder eine Insektenrallye: mit Lupenglas bewaffnet auf Entdeckungstour. Denn darum geht es bei den Naturgärten: Trittsteinbiotope im Siedlungsraum zu sein. Die Tierwelt durch geplante heimische Pflanzungen und verschiedene Naturgartenelemente zu fördern. Und ja: Das darf man!

Als ich 2016 den Kleingarten betrat, hatte er noch typische Standardpflanzungen: von Rhododendron und Aukube über Skimmie und mehrere Meter Kirschlorbeer bis hin zu Edelrosen, und das alles noch am Nordhang. Und trotzdem habe ich mich direkt in ihn verliebt. Die Umwandlung zum Naturgarten erfolgte behutsam, schließlich war ich neu im Kleingartenverein und wollte keinen verschrecken, mich eingeschlossen, ich war ja selbst noch Neuling auf diesem Gebiet. Aber mit den Jahren, in denen die Standardpflanzungen (besonders die invasiven Pflanzen wie Sommerflieder, Flieder, Kirschlorbeer und Kaukasusfetthenne) heimischen, ökologisch wertvolleren Pflanzen weichen mussten und in denen der Blumen-/Kräuterrasen den Standardrasen ersetzt hat, wurde ich immer mutiger, da viele tierische Besucher dies honorierten. Tiere pflanzen – es funktioniert! Und es macht süchtig! Mittlerweile haben über 230 heimische Pflanzenarten und deren naturnahe Sorten Einzug gehalten. Es wurden 22 qm entsiegelt und aus den überflüssigen Gehwegplatten wurde eine Kräuterspirale und eine Steinpyramide gebaut. An 40 m Staketenzaun ranken nun heimische und naturnahe Rosen sowie Waldrebe, Waldgeißblatt und Hopfen. Weitere Totholzarten: Zwei Mini-Benjeshecken mit Igelburg und Käferkeller sowie stehendes und liegendes Totholz; Hackholzschnitzel und Schnittgut vom Obstbaumschnitt werden für die Wege verwendet. Darüber hinaus entstanden folgende Naturgartenelemente: mehrere Trockenmauern und Steinpyramiden, darunter auch eine Eidechsenburg, ein Sandbeet, ein Sumpfbeet und ein Mini-Rohbodenhügel. Zuletzt kam noch ein Teich hinzu; hierfür und für alle anderen Steinelemente wurde regionaler Stein, Kies und Sand verbaut, außerdem Recyclingmaterial. Binnen weniger Stunden waren die ersten Libellen da und Tage später die Bergmolche. Weitere Besucher bzw. Bewohner des Gartens sind diverse Wespen, Wanzen und Wildbienen; verschiedenste Falter, Heuschrecken und Käfer (u.a. Blauflügelige Ödlandschrecke, Balkenschröter, Feldsandlaufkäfer und Hainlaufkäfer); dazu die unterschiedlichsten Gartenvögel; sowie der Sperber, der Jagd auf sie macht; und nicht zu vergessen Igel, Steinmarder und Fuchs, die nur durch die Wildkamera zu entlarven sind.

Der Nachhaltigkeitsgedanke des Naturgartens findet seine Parallele in der Kleingartenordnung: Die Verwendung von Torf, Pestiziden, chemische Keulen und Kunstdünger ist untersagt bzw. nicht gestattet. Außerdem ist Regenwassersammlung, biologische Bewirtschaftung und Kompostierung Pflicht. Das im Herbst anfallende Laub wird den Winter über auf die Beete gelegt und erst, wenn die Frühjahrsblüher rauskommen, entfernt. Abgestorbene Staudenstängel werden erst im Frühjahr weggeräumt: Größere werden zusammengebunden und senkrecht aufgestellt, um den darin lebenden Tieren nicht den Wohnraum zu nehmen. Der Rest landet auf dem Kompost. Der Schnitt der Himbeeren und der Klettertrompete wird als Staudenstütze genutzt. Gegossen und wenn überhaupt mit Kompost gedüngt wird nur frisch Gepflanztes oder im Nutzgarten; was nicht-heimisch ist, wird nicht betüddelt. Regenwasser aus dem Überlauf des großen Wassertanks, der mit Fetthenne bepflanzt wurde, landet im Sumpfbeet.

Die letzten heißen Sommer haben die heimischen Pflanzen bestens vertragen, wohingegen sich nicht-heimische nach und nach verabschiedeten. Heimische Pflanzen sind, an den passenden Stellen gepflanzt, widerstandsfähiger als nicht-heimische. Sie sind ein wichtiger Bestandteil im empfindlichen Ökosystem, weil sie sich seit Jahrtausenden in wechselseitiger Anpassung mit der heimischen Tierwelt entwickelten (Koevolution). Ein Großteil der Insekten ist auf ganz bestimmte Pflanzenarten angewiesen. Dabei sind nicht nur Pollen und Nektar wichtig: Der entscheidende Vorteil der heimischen Pflanzen ist, dass sie u.a. auch als Raupenfutterpflanze dienen.

Im Juni 2022 wollte ich es wissen: Wie naturnah ist mein Garten wirklich? Ich meldete den Garten zur Naturgartenprämierung der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“ an – und er erhielt Gold. Nichtsdestotrotz gibt es Verbesserungsbedarf: Demnächst entsteht durch weitere Entsiegelung ein selten gewordener aber wichtiger Magerstandort für trockenheitsliebende heimische Pflanzen.

Naturgarten heißt nicht grundsätzlich wild wachsen lassen. Auch hier müssen Un-(erwünschte Bei-)Kräuter oder sich zu stark ausbreitende Pflanzen gejätet werden. Staudenbeete können genauso mit heimischen Pflanzen in 3er- oder 5er-Gruppen angelegt werden. Außerdem ist es den Tieren egal, wie etwas angeordnet ist. Ich würde immer eher eine ordentliche Benjeshecke anlegen als einen „unordentlichen“ Reisighaufen. Und ja, auch das darf man.

Neugierig? Pflanzenliste, Gartenpläne und Kontakt gibt es unter flotterkaefer1200@web.de und 01523 1896139.

Buchtipps, Infos und heimische Pflanzen:

Natur&Garten 1/2023 – Der naturnahe Kleingarten

Lebensraum Garten – Minitipps 1 + 2, Daniel Jakumeit

Heimische Pflanzen für den Garten, Elke Schwarzer

Schön wild!, Brigitte Kleinod und Friedhelm Strickler

Natur für jeden Garten, Reinhard Witt

www.naturgarten.org

www.tausende-gaerten.de

www.gartenwert.de

www.gaertnerei-strickler.de

www.hof-berggarten.de

aus: Der Grüne Bote, 3/2023. Mit freundlicher Genehmigung des Stadtverbandes Essen der Kleingärtnervereine e.V.

Weitere Links und Infos im Erste-Hilfe-Paket für Kleingärtner*innen.