Naturgärten stehen nicht isoliert für sich alleine da. Eine Betrachtung „über den Tellerrand hinaus“ hilft, die Bedeutung und Funktion von Naturgärten zu verstehen. Welche Wechselwirkungen ergeben sich mit der Umwelt und was bewirken sie beim Menschen?
Der Naturgarten im Kontext „Umwelt“
Die Menschheit sieht sich zunehmend mit großen Problemen bzw. Krisen konfrontiert. Zwei der derzeit drängenden Problemfelder unserer Zeit sind der Klimawandel und das Artensterben. Daneben darf aber auch die Umweltzerstörung, in all ihren Facetten, als nicht minder wichtig betrachtet werden. Alle drei Problemfelder stellen eine kritische Bedrohung für die Zukunft der Menschheit dar.
Klimawandel
Der Klimawandel ist längst in aller Munde, nicht zuletzt durch die Aktionen einer Greta Thunberg und der daraus folgenden „Fridays for Future“-Bewegung. 1972 legte der Club of Rome seinen Bericht „Grenzen des Wachstums“ vor und zeigte unmissverständlich auf, wohin der Weg geht. Seitdem sind mehr als 50 Jahre verstrichen, ohne daß sich Grundlegendes geändert hätte oder bereits die entscheidenden, richtigen Schritte eingeleitet worden wären.
Bereits jetzt macht sich der Klimawandel deutlich bemerkbar durch einen weltweiten Temparaturanstieg und Extremwetterereignisse wie Starkregen, Stürme oder Hitzewellen. Der Mensch ist zu herausragenden Leistungen fähig. Jedoch ist der Mensch mit seinem konsumbetonten, wenig vorausschauenden, alle Warnungen der Experten missachtenden Verhalten auf dem besten Wege, seine eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören.
Der sich stetig verstärkende Klimawandel stellt besondere Anforderungen an unsere Gärten. Konventionell gestaltete Gärten sind meist für lange, trockene Sommer, so wie wir es in den letzten Jahren gehäuft erleben, nicht adäquat aufgestellt. Naturnah gestaltete Gärten und Landschaften können mit solchen Gegebenheiten wesentlich besser zurechtkommen. Gerade Naturgärten, mit vielen einheimischen, trockenheitsresistenten Wildpflanzen ausgestattet, bieten eine Antwort, wie Gärten auch in der Zukunft noch funktionieren können.
Das lesenswerte Natur&Garten-Heft 1.21 mit dem Titel „Der Naturgarten als Teil der Lösung in einer sich änderden Welt“ von der Autorin Ulrike Aufderheide widmet sich ausführlich dem Thema Klimawandel aus Naturgarten-Sicht und zeigt auf, dass der Werkzeugkoffer längst gepackt ist, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Daneben ist unbedingt auch das Buch „klimawandel: fluch oder chance?“ der Autoren Reinhard Witt und Katrin Kaltofen zu empfehlen, die mit zahlreichen Beispielen Erfahrungen und Lösungen aus der naturgärtnerischen Praxis zeigen.
Artensterben
Die Biodiversität ist in großer Gefahr. Expertenmeinungen gehen dahin, dass das aktuell zu beobachtende Artensterben eine größere Bedrohung für die Menschheit darstellt als der Klimawandel. Zudem wird das Artensterben durch den Klimawandel und die Umweltzerstörung noch zusätzlich „befeuert“. Das Ausssterben einer Art mag durch andere Arten ausgeglichen werden können. Sterben aber Arten aus, die wichtige „Ökosystemleistungen“ erbringen, so kann es zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme kommen.
Bereits 1962 erschien das Buch „Der Stumme Frühling“ von Rachel Carson, welches damals die dramatischen Folgen des Einsatzes von DDT für die Tier- und Pflanzenwelt eindrücklich darstellte. Das sehr lesenswerte Buch ist nach wie vor von erschreckender Aktualität.
Die durchschnittlichen Aussterberaten liegen 100- bis 1.000-fach so hoch wie durchschnittlich zu erwarten wäre. Vieles deutet auf ein 6. Massensterben der Arten (s. z.B. Elizabeth Kolbert: Das sechste Sterben) hin:
Das Motto des NaturGarten-Vereins ist „Lebensräume schaffen – Biodiversität fördern“. Naturgärten können einen Beitrag leisten („jeder Quadratmeter zählt). Jedoch ist es wichtig, dass aus dem Naturgarten-Gedanken eine große Bewegung wird und eine Vielzahl von Naturgärten einen Biotopverbund bilden. Gerade durch unsere industrialisierte Hochertrags-Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und ausgeräumten Landschaften sowie durch Fragmentierung und Zerstörung der Landschaftsräume (durch Strassenbau, Industrieansiedlungen, Wohnungsbau etc.) sind artenreiche, vernetzte Lebensräume unter starken Druck geraten. Hoffnung geben die im Dezember 2022 in Montreal verabschiedeten Biodiversitätsziele bis 2030, nach denen 30 Prozent der weltweiten Land- und 30 Prozent der weltweiten Mereresflächen unter Naturschutz gestellt werden sollen (s. z.B. BMZ).
Umweltzerstörung
Unsere Wohlstands- und Konsumgesellschaft hat dazu geführt, dass von einer intakten Umwelt schon lange keine Rede mehr sein kann. Der Eintrag von Pestiziden, Herbiziden und sonstigen Umweltgiften, Lichtverschmutzung, Plastikmüll, ausgelaugte, zerstörte, überdüngte Böden, Bodenerosionen, Zersiedelung und Zerstörung der Landschaften, Umpflügen von Graslandschaften zu Monokulturen, Überfischung, Steigerung der Todeszonen an den Küsten, Verbrennung der tropischen Wälder und vieles mehr haben dazu geführt, daß es so gut wie keinen Fleck auf der Erde mehr gibt, der von Umweltverschmutzung oder gar -zerstörung unberührt wäre.
Auch ein Naturgarten muss mit diesen Gegenheiten zurecht kommen. Schadstoffe aus Landwirtschaft und Industrie verschonen auch den Naturgarten nicht. Anderseits ist ein Naturgarten auf nachhaltiges Gärtnern ausgerichtet. Naturnahes Gärtnern bedeutet, auf den Einsatz von Umweltgiften zu verzichten, keinen chemischen Dünger zu verwenden, regionale Materialien zu nutzen, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren („alles bleibt im Garten und wird verwertet), Böden unversiegelt zu gestalten (z.B. auch Funktonsflächen wie Wege als Lebensräume für die Tier- und Pflanzenwelt einzurichten), Lichtquellen am Haus und im Garten zu vermeiden und Regenwasser zu sammeln und zu nutzen.
Der Naturgarten im Kontext „virtuelle Welten“
Die zunehmende Technologisierung und Digitalisierung haben eigene virtuelle Welten geschaffen, die weitestgehend losgelöst sind von der realen Welt. Beispiele hier sind Social-Media-Plattformen wie z.B. Facebook, Instagram, WhatsApp, aber auch virtuelle Erweiterungen der realen Welt um digitale Elemente, bezeichnet als „Augmented Reality“.
Solche virtuellen Welten abstrahieren von Erfahrungen, die man in einem Naturgarten gewinnen kann. In einem Naturgarten werden alle Sinne des Menschen angesprochen, während dies in virtuellen Welten immer nur ein Teil sein kann. Gerade für Kinder sind (möglichst spielerische) Erfahrungen in der Natur von großer Wichtigkeit für die weitere Entwicklung, um vor Defiziten in z.B. motorischer oder kognitiver Hinsicht zu schützen.
Der Naturgarten im Kontext „Mensch“
Der Mensch ist Teil der Natur, auch wenn öfter der Eindruck entsteht, dass der Mensch sich als „die Krone der Schöpfung“ sieht. Ein Leben im Einklang mit der Natur kann das sein, was den Menschen am meisten erfüllt und mit sich und der Umwelt zufrieden werden lässt.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Mensch sich in der Natur am wohlsten fühlt und – umgekehrt – die Natur wohltuend für den Menschen ist:
- in der Natur sinkt der Pegel der Stresshormone
- Aufenthalte in der Natur senken das Risiko von Diabetes, Herz- / Kreislauferkrankungen und psychischen Schäden
- der Wald wirkt auf Körper und Seele („Waldbaden“).
- in der Natur ist der Mensch besonders aufnahmefähig
Dies gilt gerade auch in einem Naturgarten, der vielfältigste Lebensraumelemente für Tiere und Pflanzen bietet und einzigartige Naturerlebnisse „direkt vor der Haustür“ erlebbar macht. Folgende Graphiken fassen die gesundheitsfördernde Wirkung von Gärten prägnant zusammen:
Neben Naturnähe, Entschleunigung und Wohlbefinden als Schlüsselfaktoren für die menschliche Gesundheit steckt im naturnahen Gärtnern auch eine Lebenseinstellung. Oft müssen hergekommene Konventionen und Überzeugungen „über den Haufen“ geworfen werden. Oft erfährt man eine ungeheure Bereicherung seines Lebens, wenn man sich dem naturnahen Gärtnern verschreibt.